Stadtderby unter Flutlicht! Doch was heisst das schon in Sofia, der Stadt mit sieben Vereinen in den ersten zwei Ligen. Neben den beiden CSKA, deren Geschichte ich im letzten Beitrag beleuchtet habe, spielen Levski, Slavia und Tsarko Selo in der «A Grupa» mit. In der zweiten Liga sind es Lokomotiv und Septembri, die aus Sofia stammen.

An diesem Sonntagabend stehen sich Slavia und Levski gegenüber und locken 3‘000 Zuschauer in den Südwesten der Hauptstadt. Gespielt wird im Owtscha-Kupel-Stadion, ein in die Jahre gekommenes Exemplar mit weitläufigen Traversen. Im Sektor A, links unterhalb der Haupttribüne, ist der Platz der Fanszene von Slavia, die eine Fanfreundschaft zu den Young Boys nach Bern unterhält. Passend dazu nennt sich die Gruppe «Boys Sofia» und zeigt in den 90 Minuten – trotz numerischer Unterzahl – ansprechenden Support und gleich mehrmals Pyrotechnik.

Gegenüber finden sich, in zwei voneinander getrennten Bereichen, die Levski-Fans ein. Während der Grossteil der Fanszene um «Sektor B» auf der Längsseite steht, versammelt sich schräg neben dem Tor auch eine Abordnung hinter einer Zaunfahne mit der Aufschrift «Ultras Levski». Diese Gruppe spaltete sich 2018 vom Gros der Fanszene ab, da sie nicht mit deren Entwicklung übereinstimmte – unter anderem aufgrund der finanziellen Abhängigkeit gegenüber dem Verein. Bei Heimspielen von Levski sind sie auf der Haupttribüne zu finden.

Dass die beiden Gruppen – trotz gleichem Lieblingsverein – auch bei Auswärtsspielen besser getrennt werden, zeigte sich Ende September in Plovdiv. Die Verantwortlichen von Botev Plovdiv brachten sie im gleichen Sektor unter, was prompt in einer Massenschlägerei endete. Daraus resultierten 43 Stadionverbote, allesamt gegen die Ultras Levski. So ist es insofern überraschend, dass sie heute überhaupt ins Stadion dürfen. Während des Spiels hinterlassen sie einen passiven Eindruck, auch wenn ihre Zaunfahne durchaus zu gefallen weiss. Auf der Gegentribüne zeigen die auffallend dunkel gekleideten Levski-Fans rund um Sofia West einen eindrücklichen Auftritt mit lauten Gesängen und gewohnt hoher Mitmachquote.

Die Situation weist Parallelen zu jener bei Partizan Belgrad auf und auch wenn ich die Hintergründe nicht kenne, ist es stets schade, wenn eine Fanszene nicht mehr am selben Strang zieht. Auch sportlich hat Levski schon bessere Zeiten durchlebt und steht nach dem ersten Saisonviertel weit hinter den Erwartungen. In meinen Augen rechtfertigt jedoch weder der bescheidene Saisonstart noch ein 1:0-Heimsieg von Aussenseiter Slavia, dass nach dem Spiel im Gästeblock die Hälfte der Sitzschalen fehlen.

Sofia liegt auf der gleichnamigen Ebene am Rand des Witoscha-Gebirges. Dieses ist namensgebend für den Boulevard, der zentralen Einkaufsstrasse, hinter dem sich der Kulturpalast und die Berge auftun. Zwar verfügt die bulgarische Hauptstadt über keine Anbindung an einen Fluss oder See, im Zentrum gibt es jedoch warme Quellen und ein ehemaliges Mineralbad. Im Sommer gilt das Gebirge als Naherholungszone, im Winter können die Sofioter dort auch Ski fahren.

Als eine der ältesten Städte Europas hat Sofia viel zu erzählen. Ein Grossteil davon erfährt der Besucher im Zentrum, das einer Ausgrabungsstätte gleicht und Überreste verschiedener Zeitalter zum Vorschein bringt. So hiess Sofia in der Antike «Serdika» und kam erst im 14. Jahrhundert zum jetzigen Namen. Grund dafür ist die markante Kirche der Heiligen Sofia, die damals schon von weit ausserhalb der Stadt zu sehen war und als Erkennungsmerkmal galt. Ganz in der Nähe liegt mit der Alexsander-Newski-Kathredale die grösste orthodoxe Kirche des Landes und das heutige Wahrzeichen der Stadt.

Von der bewegten Geschichte zurück in die Gegenwart: 113 Tage lang belagerten Kritiker unter dem Motto «Ostavka» (Rücktritt) den Vorplatz des Regierungsgebäudes und forderten Ministerpräsident Bojko Borissow und Generalstaatsanwalt Iwan Geschew zur vorzeitigen Amtsniederlegung auf. Ihnen wird vorgeworfen, staatliche Institutionen geschwächt und stattdessen Oligarchen begünstigt zu haben. Anfang November wird der Protest schliesslich unterbrochen. Die offizielle Begründung liefert die sich verschlechternde Lage im Kampf gegen die Pandemie, allerdings signalisierte auch niemand aus der rechtskonservativen Koalitionsregierung die Bereitschaft zurückzutreten.