Passende Flüge sowie die Möglichkeit, einige Freunde zu treffen, waren ausschlaggebende Aspekte, die mich zu einem letzten Insel-Aufenthalt im 2015 bewegten. Bei einer dreitägigen Tour stand neben einem Spiel am Freitagabend in Southend unter anderem die Premier-League-Partie von Chelsea und zum Abschluss ein kleines Derby mit meinen «Mates» in Walsall auf dem Plan.

Das Konzept der Billigfluggesellschaften sieht vor, möglichst tiefe Flugpreise anbieten zu können, was wiederum durch leichtere Sitze mit weniger Beinfreiheit erreicht wird. Hauptsächlich sparen sie aber, indem ihre Flugzeuge alternative Flughäfen ansteuern. So wird dem Kunden zum Beispiel die Strecke Genf – London verkauft und er findet sich dann entweder in Gatwick, Luton oder Southend wieder. Diese Städte liegen zwar alle im Speckgürtel von London, sind aber gut eine Stunde vom Zentrum entfernt – so auch meine heutige Verbindung nach London Southend. Für knapp dreissig Franken wurde ich allerdings, im Gegensatz zu den meisten der restlichen Passagiere, genau an den Ort chauffiert, den ich zu besuchen plante. Der Flug zurück nach Genf gab es ebenfalls zum Schnäppchenpreis, diesmal ab Birmingham am Sonntagabend. Passt also perfekt.

Während ich zur Mittagsstunde die Arbeit niederlegte und mich auf den Weg machte, meldete sich der Flight Tracker der EasyJet-App zu Wort, dass mein Flug mehr als eine Stunde verspätet sei. Natürlich ärgerlich, so blieb aber immerhin die Möglichkeit in Genf auszusteigen und mich zu verpflegen. Im Anschluss peilte ich ohne Stress den Flughafen an. Und was sah ich da voller Schrecken nach der Sicherheitskontrolle? Last Call für London Southend! Also schnell die Füsse in die Hände genommen und intuitiv in die Richtung der Insel-Flüge gerannt, durch die Passkontrolle gehetzt und es gerade noch mit Glück auf den Flieger geschafft. Keine Anstalten einer Verspätung und eine ärgerliche Ente der App. Das hätte mir jetzt wirklich den letzten Nerv geraubt. Damit dies dennoch geschieht, sorgte ein Pärchen, das eine Reihe hinter mir Platz nahm und den ganzen Flug über abwechselnd jegliche Absturzszenarien oder Sehenswürdigkeiten in London diskutierte.

Dank dem zeitigen Abflug erreichte ich Southend pünktlich und per Taxi ging es zur Unterkunft. Dafür hatte ich auf die Plattform AirBnB zurückgegriffen, da Hotels für eine Nacht deutlich mehr kosteten. Somit war also Diane meine Gastgeberin. Diese wohnte fünf Minuten vom Bahnhof entfernt, an dem am nächsten Morgen der Zug in Richtung London abfahren sollte, was für die Wahl meinerseits ausschlaggebend war. Kaum angeklopft, begrüssten mich auch schon ihre stürmischen aber sehr friedliebenden Hunde. Nach einer kurzen Verschnaufpause und etwas Small Talk inklusive der obligaten Frage ihrerseits (You really came here because of football?) verabschiedete ich mich in Richtung Innenstadt.

Da der Verein nur in der dritten Liga spielt, könnte man meinen, dass es sich bei Southend-on-Sea um ein kleines Städtchen an der Themsemündung handelt. Dies ist nicht so, die Stadt hat 175’000 Einwohner und gilt als Mittelpunkt der Region. Sie vermag mit einem langen Strandabschnitt und einer schönen High Street – begünstigt durch das weihnächtliche Flair – zu gefallen. Kurze Zeit setzte ich mich an die Nordsee, ehe der obligate Gang ins Wettbüro anstand, um auf einen Heimsieg für Southend zu wetten.

Irgendwann machte ich mich auf zur Roots Hall, da ich mich mit «Artgenosse» Peter Miles treffen wollte. Dieser ist der Southend-Fan schlechthin und geht mit seinem SUFC seit Lebzeiten, wie er es treffend ausdrückt, durch dünn und dünner. Unter anderem war er auch für das Resümee zur Clubgeschichte auf der Vereinswebsite zuständig. Damit waren interessante Gespräche garantiert, während wir im Pub genüsslich an meinem Lieblingsbier (Carling Extra Cold) schlürften. Peter zeigte sich ob meinem Fachwissen zum englischen Fussball ziemlich beeindruckt und wusste dieses durch unterhaltsame Erzählungen zu ergänzen. Unmittelbar vor Anpfiff holte ich am Collection Desk meine Eintrittskarte ab, ehe es vorbei am alten Club-Pub mit dem originellen Namen «Far Post Bar» zur Gegentribüne ging. Auch hier zeigt sich durch alte Wellblechunterstände und mit Moos überwachsenen Tribünenmauern das einzigartige Flair englischer Stadien.

Meine Sympathie blieb auch im Innern erhalten, als ich mich unweit der Heimfans in den Stuhl zwängte und mich über deren durchgehenden Support freuen durfte. England kommt langsam wieder, ich fühle mich bezüglich dieser These bestätigt. Die Hausherren trugen ebenfalls ihren Teil zu einem perfekten Fussballabend bei und spielten die Gäste aus Bury beim 4:1-Heimsieg regelrecht an die Wand. Dieser Abend hat nicht nur mir, sondern auch den restlichen 6’127 Zuschauern eindeutig Spass gemacht. Lediglich die Hundertschaft aus Bury wäre besser zuhause geblieben und hätte Weihnachtseinkäufe getätigt, wie auch die Heimfans humorvoll erkannten.