Am Morgen wie geplant um 6 Uhr wieder aus dem Bett gekrochen und geduscht, danach blieben noch einige Minuten zum Frühstücken, ehe es per Fernbus nach Heidelberg gehen sollte. Diese Minuten hatten es jedoch in sich. Wegen der Frühe neben mir nur zwei alte Schweizer am Morgenbuffet, von denen sich der eine tierisch darüber aufregte, dass man in einem Viersternehotel für zusätzlichen Kaffee bezahlen musste. „In der Schweiz sei dies nicht so und eh sei dort alles besser.“ Seine Wut zu spüren bekam dann vor allem sein unschuldiger Kumpane, der mir richtig leid tat. Er werde den Kellner dann aber anschnäuzen versprach er ihm. Als kurze Zeit später ein recht strammer Bursche mit wahrscheinlich östlichen Wurzeln mit dem Kaffee vor ihm stand beliess er es dann aber bei einem braven „Danke.“ So sind sie eben, meine Landsmänner…

Nach der kleinen Stärkung zum Busbahnhof gehetzt und nach ereignisloser Fahrt pünktlich in Heidelberg angekommen. Von hier an sollte das Baden-Württemberg-Ticket mein „Reisepapier“ sein. Bisher alles ohne Probleme verlaufen und ich fragte mich bereits, ob das Ganze dieses Mal wirklich ohne jegliche Nerven zerreibenden Szenarien über die Bühne gehen sollte.

Aber nein, die GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokführer) rief zum landesweiten Grossstreik auf, was zu riesigen Verspätungen und Zugsausfällen führte. Und wieder einmal war mein reisetechnisches Geschick gefragt. Dieses schlug vor den InterCity, halt per Aufpreis, bis nach Stuttgart zu nehmen und von dort an weiter zu schauen. So hab ich es dann tatsächlich auch gemacht, dieser kam zwar auch mit grosser Verspätung an, man hatte jedoch glücklicherweise einen grossen Zeitpuffer eingebaut. Von all den Reisen lernt man halt. Hab mich vielleicht auch gerade deshalb nicht so aufgeregt wie viele andere Pendler an den Bahnhöfen. In Stuttgart also dank dem IC noch genügend Zeit um die Stadt zu besichtigen, da ich diese aber bereits diverse Male gesehen habe und auch kein Shoppingbedürfnis aufkam, abgesehen von einer West-Ham-Wintermütze für einen schlappen Euro (Ich Schnäppchenjäger!), entschied man sich für einen Besuch des Stadions auf der Waldau. Dieses ist ja die eigentliche Heimat der Kickers, wird aber im Moment umgebaut. Wie erwartet neben dem Fernsehturm eine riesige Baustelle. Jetzt sind wir bereits soweit das ich nicht nur Stadien, sondern auch Baustellen von zukünftigen Stadien anschauen gehe…

Die Sekte Groundhopping wäre dann auch die einzige, der ich jemals beitreten würde, da halfen auch diverse Anwerbeversuche von Scientology und etlichen Freikirchen nichts, die sich mit ihren Ständen bei dem schönen Wetter zuhauf in der Stadt tummelten.

Irgendwann dann wieder zurück zum Bahnhof geschlendert, wo man sich verpflegte und dann den Zug nach Reutlingen nahm, der wiederum mit einigen Minuten Verspätung den Baustellenbahnhof verliess. Bei der Ankunft stand bereits ein Extrabus zur Spielstätte bereit und die Offerte nahm man natürlich dankend an. Kurze Zeit später erreichte der gut gefüllte Bus dann auch das Stadion an der Kreuzeiche, die temporäre Heimat der Kickers. Sonst spielt jeweils der SSV Reutlingen seine Oberligapartien hier. Dies erwähne ich, weil die Szene E von Reutlingen eine Fanfreundschaft mit den Ultras vom FC St. Gallen pflegt. Der Ground mit seiner mächtigen grünen Tribüne und den Stehtraversen gefällt mir ausserordentlich.

Den Kickers scheint die temporäre Heimat auch zu gefallen, so hielten sie sich in der laufenden Saison zuhause jeweils schadlos. So auch heute, wo sie dank Toren von Royal-Dominique Fennell in der 43. Minute und Lhadji Badiane in der 66. Minute vor 3’050 Zuschauer schlussendlich verdient mit 2:0 gewinnen und nun zumindest im Moment vom Leaderthron grüssen dürfen. Die Fans der Kickers, die übrigens ebenfalls im Jahre 1899 gegründet wurden, brachten nur vereinzelt und vor allem bei Torchancen einen gewisse Lautstärke an Support zustande. Auch bei den Kölnern waren ein paar wenige Fans vor Ort, aufgrund der Niederlage blieb es dort aber ruhig.

Nach Abpfiff stand eine 300 kilometerlange Heimreise per Zug an und knapp sechs Stunden später war man dann wieder zuhause. Manche lieben/leben es eben…