Beim heutigen Landeanflug auf London kam ich in den Genuss, das Twickenham Stadion aus der Vogelperspektive bestaunen zu dürfen. Da im zweitgrösste Stadion der Stadt aber ausschliesslich Rugby gespielt wird, beliess ich es beim eigentlichen Plan und machte mich bald schon auf in Richtung U-Bahn-Station Seven Sisters.
Fachkundige wissen nicht nur, dass der Bezirk seinen Namen wegen sieben Ulmen trägt, die einst im Herzen der Gegend standen, sondern auch, dass die White Hart Lane von hier aus nicht mehr weit entfernt ist. Zu Fuss erreiche ich also mit reichlich Fussballvolk in knapp zwanzig Minuten die Gasse zum Weissen Hirschen, besser bekannt als „White Hart Lane“. Aber aufgepasst, diese Gasse existiert tatsächlich, allerdings einige Strassen weiter. Der Stadionname ist aber zu originell, um sich über diesen Makel den Kopf zu zerbrechen. Bald soll das Stadion aber einem grösseren, moderner und imposanteren Komplex weichen.
Die Tottenham Hotspurs zieren sich mit diversen Spitznamen, wobei die bekanntesten drei „Yids“, „Spurs“ und „Lillywhites“ lauten. Der erste hat seinen Ursprung ebenfalls im Bezirk, der bereits früher in den Händen der Juden waren. Der zweite Übername geht auf den Vereinszusatz Hotspur zurück und spielt auf den Adeligen Henry Percy an, der den Übernamen Harry Hotspur trug und im 14. Jahrhundert in etlichen Schlachten als besonders tapferer Kämpfer wütete. Nachdem er sich König Heinrich dem 4. stellte, wurde er in der Schlacht um Shrewsbury getötet und sein Körper schlussendlich in vier Teile zerschnitten, die als Beweis für seinen Tod in ganz England präsentiert wurden. Sein Haupt schmückte übrigens das Stadttor von York. Neben dieser Schauergeschichte ist die Erklärung für den letzten Namen „Lillywhites“ simpel und auf die stets in weiss gehaltenen Heimtrikots zurückzuführen.
Als Clubwappen fungiert hier im Norden Londons allerdings kein jüdischen Krieger im weissen Kleid, sondern ein Hahn, der auf einem Basketball balanciert – so zumindest meine Interpretation. Der Hahn drückt übrigens die Vorliebe des erwähnten Henry Percy an Kampfhähnen aus.
Vor Anpfiff investierte ich wie in England praktisch immer noch einige Pfund in einen Resultattipp, wobei mich der Herr im Wettbüro nur komisch anschaute, als ich ihm eine Unentschieden-Wette für die Partie unter die Nase hielt. Im Anschluss betrat ich zeitig das Stadion, das mich an die in Ipswich zu findende Portman Road erinnert. Ein Sitzplatz hinter der Grundlinie, mit einer Beinfreiheit, die sogar die Easy-Jet-Verantwortliche nicht akzeptabel befinden, kostet hier 37 Pfund. Totzdem war das Stadion zum Anpfiff mit 36’004 Zuschauer wie erwartet sehr gut gefüllt. Wenig verwunderlich, da Spieler wie Afellay, Lloris, Vertonghen, Kane oder Shaqiri einige Leute aus der Londoner Oberschicht oder Fussballtouristen ins Stadion locken.
Zu sehen bekamen diese eine Partie, in der beide Teams jeweils eine Halbzeit lang tonangebend waren und diese Überlegenheit mit je zwei Treffern krönten. Den Anfang machte Tottenham in Person von Ryan Mason, der per Kopfball nach einer gutgetretenen Ecke traf, ehe Nacer Chadli kurz vor dem Pausenpfiff sehenswert für die Gastgeber nachlegte. In der zweiten Halbzeit kam Stoke in Fahrt und durfte die zweitausend mitgereisten Anhänger in der 78. Minute ein erstes Mal jubeln lassen, nachdem Marko Arnautovic vom Penaltypunkt aus eiskalt blieb. Dieses war dann auch die Initialzündung im bemühten Spiel der Zentralengländer, das Mame Diouf kurz vor Schluss mit dem verdienten 2:2 belohnte.
Der Blick des Angestellten im Wettbüro blieb mir leider vorenthalten, da ich noch einen zweiten Termin an diesem Samstagnachmittag vor mir hatte…