Im Friaul, unweit der Grenze zu Slowenien, liegt die Stadt Udine. In meinen Fokus geriet die 100’000 Einwohner fassende Kommune im Nordosten Italiens durch das schwarz-weisse Duell in der Überschrift. Den Austragungsort stellt das komplett renovierte Stadion am Stadtrand dar, in dem einzig die imposante Haupttribüne an die Zeit erinnert, in der noch kein rumänischer Autohersteller die Namensrechte daran innehatte. Historischer präsentiert sich da der Stadtkern von Udine mitsamt Schloss, der mir noch von einem früheren Besuch während der Schulzeit geläufig war. Leider machte das Wetter einen Strich durch den kulturellen Teil der Rechnung, sodass dieser verhältnismässig kurz ausfiel.

So bestieg ich früher als geplant den einzigen Linienbus, der annähernd in die Nähe der Spielstätte fährt. Anschlüsse von Fussballstadien an den öffentlichen Verkehr scheinen in Italien weiterhin nur Wunschdenken zu sein. Von aussen „verzückt“ das Stadion durch eine silberne Aussenschale, ehe im Innern davon die farbigen Sitze an die Alptraum-Arena in Düsseldorf erinnern. Durch die ungewohnte Farbkombination sah das Stadion an diesem Sonntagabend mit 21’992 Zuschauern ausverkauft aus, obwohl knapp dreitausend Karten aufgrund der kostspieligen Eintrittspreise keinen Abnehmer fanden. Auch die relevanten Gruppen der Juve-Tifosi riefen zum Boykott auf, sodass die Platzwahl auf einen Ecksitz mit guter Sicht auf das Spielfeld und die Heimkurve rund um die Teddy Boys fiel. Überraschend vermeldete kurz nach Anpfiff trotzdem eine Abordnung der Drughi mitsamt Zaunfahne ihre Präsenz und verscheuchte damit, ganz zu meiner Belustigung, all die trikottragenden Hanseln von ihren Plätzen in den ersten Sitzreihen des Gästeblocks.

Eine spezielle Angewohnheit der Italiener finde ich das Stehen und Schwatzen am Spielfeldrand, bevor erst beim Anpfiff die Plätze eingenommen werden. Weniger lustig ist jedoch die Angewohnheit, das Einlaufen mit dem Smartphone festzuhalten. Zur Tatsache, dass man sich diese Aufnahmen kaum ein zweites Mal zu Gemüte führt, kommt ein Bild, bei dem mehr Smartphones als Schals hochgehalten werden. Beinahe so schwach präsentierte sich das Intro auf der Heimseite, wobei ich der Anhängerschaft aus Udine sowieso nicht viel abgewinnen kann. So werden hier im Block beispielsweise während neunzig Minuten Fahnen von jensten Herkunftsländern der Spieler geschwungen. Meiner Meinung sollte jedoch spätestens mit dem Betreten des Fanblocks der Nationengeist – zumindest für eineinhalb Stunden – beiseite gelegt werden. Mit dem Anpfiff zeigte sich, wie erschreckend viele Leute den Gästen die Daumen drückten. So auch in meinem Block, wo diverse Väter mit ihren verwöhnten und adipösen Söhnen der Alten Dame zugetan schienen. Es ist anzunehmen, dass es sich hierbei um Anhänger aus dem Umland handelt. Stellt euch also vor, ihr geht das Jahr über zum Fussball und wenn der Krösus Juventus zu Gast ist, sitzt plötzlich euer fussballabstinenter Nachbar mitsamt Nachwuchs im Juve-Shirt neben euch. Herrschaften, please support your local team! Im (italienischen) Fussball geht es um mehr als nur den Scudetto. Alleine aufgrund dieser Umstände wurde dem Heimteam die Daumen gedrückt.

Das Gastgeber legte los wie die Feuerwehr und ging früh und völlig verdient in Führung. Doch bereits nach zwanzig Spielminuten hatte Juventus das Spiel mit zwei schnellen Treffern gedreht. Eine rote Karte für den Kroaten Mandzukic sorgte kurz danach aber dafür, dass die in ungewohnt gelben Trikots auflaufenden Juve-Spieler die Partie erneut aus der Hand gaben. Während Altmeister Buffon seine Mannschaft vor dem Seitenwechsel noch einige Male mirakulös vor dem Ausgleich bewahren konnte, schlug es schliesslich kurz nach Wiederanpfiff im Kasten hinter „Gigi“ ein. Und obwohl damit das Momentum deutlich auf Seiten von Udinese war, läutete ein sehenswerter Freistosstreffer der Gäste eine anschliessende Machtdemonstration ein. So zogen die Herren aus dem Piemont trotz Unterzahl zum Schlusspfiff bis auf sechs Tore davon. Gemessen am Spielverlauf ist das 2:6 insgesamt etwas zu hoch, da Udine bis zum totalen Einbruch dem Favoriten doch gut Paroli bot.

Nach Spielende musste im strömenden Regen lange auf den letzten Bus des Tages gewartet werden, der einem wieder ins Stadtzentrum brachte. Am nächsten Morgen folgte schliesslich die Zugfahrt nach Venedig, wo trotz viel Gewusel der etwas abgelegene Flughafen pünktlich für die Rückreise nach Zürich erreicht wurde.