Seit der Einführung der Fankarte vor einigen Jahren hat das Stadtderby von Budapest auf der Stimmungsebene einiges an Reiz verloren. Dieser gemachten Aussage gilt es leider nichts entgegenzusetzen. Jedoch halte ich das Aufeinandertreffen der beiden grössten ungarischen Fussballclubs weiterhin für dasjenige Spiel mit dem meisten Zündstoff in der heimischen Liga. Daher ist auch mein Eigen an diesem Sonntag wortwörtlich mit von der Partie und somit ebenfalls Träger der Repressionen. Der Gang zum Ticketshop im Vorhinein gestaltete sich jedoch ziemlich simpel. Dort angekommen, wird dem Zuschauer gegen ein Entgelt eine Fan-ID ausgestellt, auf der neben dem Konterfei auch das Geburtsjahr sowie der vollständige Name zu finden ist. Etwas gewöhnungsbedürftig präsentiert sich hier die Schreibweise der Magyaren, die jeweils den Nachnamen wie auch das Geburtsjahr an den Anfang setzen.

Vor dem sportlichen Teil des Tages blieb genügend Zeit für einen Besuch im Haus des Terrors. Dieses wurde vom amtierenden Ministerpräsidenten Orbán im Jahre 2002 eingeweiht. Mitten im Zentrum gelegen, dient es als Informations- und Gedenkstätte, die zwei geschichtliche Abschnitte thematisiert, welche Ungarn in der jüngeren Vergangenheit entscheidend geprägt haben. Einerseits ist die Rede von der Herrschaft der rechtsextremen Pfeilkreuzler (Arrow-Cross-Party) während des zweiten Weltkriegs, als auch vom anschliessenden Regime unter der Leitung der Kommunisten. Anders als bei den bisher besuchten Museen mit demselben Themenpunkt, wird einem hier viel über die faschistischen Machenschaften in Ungarn erläutert, denen ich mir bis anhin nicht bewusst war.

Diese schwere Kost wird am besten auf der Busfahrt in den Norden der Stadt verarbeitet, wo der älteste Verein des Landes beheimatet ist. Die Gegend, welche dem Fahrgast hinter den Fenstern gezeigt wird, macht einen eher ärmlichen Eindruck. Die letzten Meter bis zum Stadion, welches nach dem ehemaligen Spieler Ferenc Szusza benannt ist, müssen zu Fuss zurückgelegt werden. Der Herr hat sich die Widmung mit beinahe vierhundert Toren für die Lila-Weissen redlich verdient. Rund um die Spielstätte ist bereits einiges los und ich begebe ich sogleich zur Haupttribüne. Bei meinem Sitzplatz angekommen, betrachte ich das Matchprogramm, welches auf jedem der rund 13’000 Stühle im Rund liegt. Dabei staune ich nicht schlecht, als mir auffällt, dass der Redaktion bei der Wahl des Titelbildes ein ziemlicher Lapsus unterlief. Zu sehen ist ein Spieler, der an eine Hauswand lehnt und dabei das Shirt vom Fussballclub aus Toulouse trägt. Zugegeben, die Ähnlichkeit ist verblüffend, jedoch sollte der Fehler spätestens beim Betrachten des Logos auffallen.

Gross jemandem der 6’567 Zuschauer schien diese Kleinigkeit aber nicht aufgefallen zu sein. Schliesslich war das Augenmerk auf das Duell auf dem Rasen gelegt. Und dafür wird vom Speaker bereits vor Anpfiff kräftig animiert, sogar mit Hasstiraden gegen den Gastverein Ferencvaros. Das nenne ich Derbycharakter! Die Sticheleien gehen auch in den entsprechenden Fanblöcken weiter. Das Intro der Ujpest-Anhänger «Ohne Vergangenheit keine Zukunft» kontern die Grün-Weissen mit einem «Ujpest – ohne Titel, Mannschaft und Hooligans» Spruchband. Der gelungene Konter ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass sich im Gästeblock lediglich wenig Fans mit Ultra-Gedankengut eingefunden haben. Der Grossteil von «Fradi» boykottiert die Spiele nämlich aufgrund der immensen Regulierungen weiterhin. Anders bei der Anhängerschaft der Gastgeber, wo meiner Meinung nach fantechnisch aus dem Vollen geschöpft wird. Die Kurve kommt ganz in weissen Mottoshirts daher und zeigt mit einer grossen Pyroshow sowie diversen Böllereinlagen nebst der Choreografie zum Einlauf einen lautstarken und abwechslungsreichen Auftritt. Die Heimmannschaft goutiert diese Unterstützung durch die zweimalige Führung, wobei der Sieg beide Male noch verspielt wird. Umso bitterer dabei, wenn der Treffer zum 2:2 wie am Vorabend erst in der Nachspielzeit fällt.

Die Stimmung war damit logischerweise ziemlich im Keller. Wohl auch aufgrund des fehlenden Gegners blieb es nach dem Spiel auf den Strassen rund um das Stadion aber ruhig. Für mich geht damit eine Ungarn-Reise mit vielen neugewonnenen Eindrücken zu Ende. Darunter vier Spiele, die übrigens allesamt Unentschieden endeten, ein stimmungsvolles Public-Viewing sowie ein Spiel der Wasserball-WM auf der Margareteninsel.