In sechs Sätzen gab der FC Lausanne-Sport letzten Donnerstag die Trennung von Sportchef Pablo Iglesias bekannt. Nebst drei Sätzen, in denen Iglesias für seine Arbeit in Lausanne gelobt wird, prägen Standardphrasen die Pressemitteilung. Aufhorchen lässt einzig der Ausdruck „neue Strukturen“, den der Leser beinahe übersieht.

Eine Neuausrichtung steht bevor, bei deren Planung offenbar auch andere Mitarbeiter keine Rolle mehr spielen. So verliessen kurz vor Pablo Iglesias mit Léonard Thurre und Bernard Rohrbach auch der Scouting-Verantwortliche und der Intendant den Verein. Ein Stück Identität, das in der Westschweiz verloren geht. Besonders der Abgang des schweizerisch-spanischen Doppelbürgers Iglesias, der seit 2018 für den Verein arbeitete, kommt aus sportlicher Sicht überraschend. Lausanne-Sport stellt die beste Offensive und Defensive der Challenge League, steht mit 15 (!) Punkten Vorsprung unangefochten an der Tabellenspitze und als Unterklassiger gar im Viertelfinal des Schweizer Cups. Auf der Pontaise, der baldigen Ex-Heimat der Waadtländer, empfangen sie am Sonntag das krisengebeutelte Basel und dürfen sich durchaus Chancen auf ein Weiterkommen ausrechnen.

Warum also die Umstrukturierung? FCLS-Vizepräsident Stefan Nellen zeigt sich ob der Entlassung von Iglesias gegenüber dem Newsportal „Nau.ch“ ebenfalls überrascht. In seinen Erklärungsversuchen verweist er auf den Besitzer, der diesen Entscheid gefällt haben soll und fügt auch gleich die Vermutung an, dass dieser Entscheid mit der Zusammenarbeit mit dem OGC Nizza zusammenhängt. «Ende Juni erwarten wir die neue Organisation» meint Nellen weiter. Das Verb in seiner Aussage irritiert. Sollte ein Vize-Präsident bei Strategieentscheiden nicht mitentscheiden dürfen, respektive über die Absichten in Kenntnis gesetzt sein? Vielleicht ist es seine unpassende Wortwahl, vielleicht aber weiss Nellen wirklich nicht Bescheid darüber, was im inneren Zirkel – zu dem er offenbar nicht zählt – vor sich geht.

Die Antwort auf die Frage, was der OGC Nizza mit der internen Neubesetzung in Lausanne verbindet, liefert Ineos. Vor zehn Jahren verlegte der britische Chemiekonzern seinen Hauptsitz aus steuertechnischen Gründen an den Genfersee. Ein baldiges Sponsoring beim Eishockeyclub Lausanne HC folgte, ebenso die Unterstützung des lokalen Nachwuchssports. Auch bei Lausanne-Sport stieg der Petrochemie-Gigant ein. An der Spitze der Gruppe steht mit Jim Ratcliffe ein Brexit-Befürworter und Milliardär aus der Agglomeration von Manchester. Im vergangenen Jahr verlegte der 67-jährige Brite erneut den Hauptsitz seines Unternehmens, diesmal nach Monaco – um noch mehr Steuern zu sparen, wie er offen zugab. Da sich der dort ansässige Ligue-1-Verein mit dem russischen Unternehmer Dmitri Rybolowlew bereits in der Hand eines anderen Superreichen befindet, musste Ratcliffe mit dem Nachbarverein aus Nizza vorlieb nehmen. Im August 2019 übernahm Ineos, laut Medienberichten für rund 100 Millionen Euro, den Club von der französischen Riviera.

Ineos betreibt Fracking. Ein Verfahren, bei dem mit Bohrern tief in der Erde Gesteinsschichten aufgebrochen werden, um deren Permeabilität zu erhöhen und so das darin enthaltene Erdgas oder Erdöl zu fördern. Ein äusserst umstrittenes Verfahren, für das Ineos nebst den Aspekten der Umweltverschmutzung und der Belastung von Grundwasser von vielen Seiten auch wegen ihrer Profitgier und dem aggressiven Lobbyismus scharf kritisiert wird.

In Lausanne will die Clubführung von all diesen Vorwürfen nichts wissen: Stattdessen wartet sie sehnsüchtig. Auf den Wiederaufstieg und das neue Stadion – und auf die neue Struktur im Verein, die Ineos Ende Monat präsentieren möchte.