Erst wenige Tage sind seit dem Anschlag in St. Petersburg vergangen und so ist die angespannte Situation auch hier in der Hauptstadt Moskau zu spüren. Doch auch so würde ich Russland einen noch signifikanteren Kontrollwahn attestieren, als er in anderen Ländern des Ostblocks zu finden ist. So sind an jeder Ecke Polizisten oder private Sicherheitsmänner zu finden, stets mit dem Schlagstock in Griffnähe. Der strenge Blick, die straffe Uniform mit dem Adler auf dem Oberarm und dem kyrillischen Schriftzug «POCCNR» runden das Gesamtbild ab. Dazu kommen die Sicherheitsschleusen, die vom Stadion über die U-Bahn bis hin zum Einkaufszentrum praktisch an jedem Eingang zu finden sind. Die Beweggründe dafür vollständig auf den Terrorismus oder den kommunistischen Hintergrund zurückzuführen, finde ich abwegig. Eher sehe ich in der hohen Anzahl an Beamten eine Branche, in welcher der Lohn stimmt, die Angst um einen allfälligen Jobverlust fehlt und auch das Ansehen in der Gesellschaft durchaus vorhanden zu sein scheint.
Ähnlich beeindruckt zeigten sich Jonathan und ich von Moskau, ausgesprochen übrigens „Maskwa“, und den Bauten am und rund um den Roten Platz. Während einem tagsüber stets ein kalter Wind entgegenbläst, erleuchten die Hochhäuser die Strassen und Gassen in der Nacht, sodass wir es nie für dunkel empfunden haben. Kommunismus und Kapitalismus leben hier für den Aussenstehenden im Gegensatz, wobei es für mich eher wie ein künstlicher Einklang wirkt. So sind neben gigantischen Plattenbauten hochmoderne Einkaufszentren zu finden. Auch Präsident Putin geniesst beim patriotischen Durchschnittsrussen hohe Popularität. Bettler sowie Personen aus Afrika bekamen wir während der Zeit unseres Aufenthalts praktisch keine vor das Gesicht. Insgesamt ein unglaublich spannendes Land, das neben der Hauptstadt noch diverse andere interessante Ort birgt, die mir eines Tages zu einem fundierten Fazit verhelfen sollen.
Im Nordwesten der Stadt ist mit der WEB Arena die neue Heimat von ZSKA Moskau zu finden. Wer denkt, das Stadion des Armeesportclubs wurde im Zuge der Weltmeisterschaft gebaut, sieht sich aber getäuscht. Mit gut 30’000 Plätzen ist die Spielstätte dafür nämlich zu klein. Nach dem gestrigen Duell der beiden Jugendmannschaften folgte nun der Hauptgang. Dieser verkam aber vielmehr zum „Dinner for one.“ Denn beim Feiern am Vorabend war Jonathan plötzlich nicht mehr aufzufinden, nachdem ich vom Bartresen zurückkam.
Ziemlich aufgeschmissen sprach ich daraufhin einige Leute an, zumal Jonathan mit seiner Grösse kaum zu übersehen war. Eine konstruktive Auskunft scheiterte aber entweder am Nichtwissen des Gegenübers oder an der sprachlichen Inkompetenz beider Parteien. Die Partylaune war damit verdorben und nach einigen erfolglosen Anrufen auf sein Mobiltelefon trat ich den Heimweg an. Auch am nächsten Morgen fehlte von meinem Begleiter noch immer jede Spur. So blieb mir gegen Mittag nichts anderes übrig, als mich alleine auf den Weg zum Stadion zu machen. Gegen die Mittagszeit erreichte ich endlich Jonathan, der mir über das Telefon in knappen Worten schilderte, dass er sein Portmonee verloren hätte. Wann er den Polizeiposten verlassen dürfe, wisse er aber nicht.
So bekam der Matchbesuch einen faden Beigeschmack und das Spiel ist schnell erzählt. Im mit 15’000 Zuschauern genau zur Hälfte gefüllten Stadion herrschte zwar gute Stimmung, auf das Spiel vermochte die Unterstützung aber keinen Einfluss zu nehmen. Weder der Gastgeber, noch der Gast aus Rostov konnte die Partie zu seinen Gunsten entscheiden und so endete das Spiel folgerichtig mit 0:0. Aus der Stadt am Don waren gut zweihundert Fans angereist, die mit einer kleinen Choreografie sowie durchgängiger Unterstützung ebenfalls überzeugten. Noch besser gefallen hat mir aber die Heimseite, die meiner Meinung nach optisch zu den besten Fanszenen in ganz Russland gehört. Einheitlich schwarze Kleidung sowie ein rotblauer Balkenschal runden das eindrückliche Gesamtbild im Block ab.
Nach Spielschluss blieb einzig die Frage nach dem Verbleib Jonathans offen. Für eine Antwort musste ich mich schliesslich bis kurz vor Mitternacht gedulden, ehe Jonathan – in jeder Hinsicht am Ende – wieder das Hotel erreichte. Die ganze Geschichte dahinter mitsamt all ihren abstrusen Facetten bleibt jedoch das Geheimnis unserer kleinen Reisegruppe.