Das Stadion des grössten und international erfolgreichsten Verein Polens wollte ich mir unbedingt für einen angemessenen Spielbesuch aufbewahren. Da kommt das ewige Duell gegen Lech Posen trotz verhaltenem Saisonstart gerade richtig.
Auch Legia „warnt“ den ausländischen Stadionbesucher auf ihrem Internetauftritt davor, dass Karten ausschliesslich an den Abendkassen zu erwerben sind. Da dieses Duell volle Ränge versprach und ich nicht in irgendeinem Fanblock sitzen wollte, liess ich Kumpane Heeb und mich vorab akkreditieren. So konnten wir uns am Sonntagnachmittag ohne Stress ab der Metrostation Politechnika von zahlreichen Legia-Graffitis an den Hausmauern zur Heimstätte des Armeevereins führen lassen. In der Aussenansicht erinnert das Stadion mit seinem gezackten Dach eher an eine asiatische Tempelanlage als an ein Fussballstadion. Im Innern hat der doppelstöckige Allseater wiederum gängigen Charakter.
Zum Einlauf der beiden Mannschaften sitzen 22’731 Zuschauer auf den Plastikschalen, darunter knapp tausend Lech-Kibice aus dem Westen des Landes. Diese zeigen das ganze Spiel über lauten und durchgängigen Support, der viele europäische Szenen in den Schatten stellte. Die Heimkurve stahl den Gästen aber derart die Show, dass der Auftritt bald in Vergessenheit geraten wird. Interessant auch die Tatsache, dass Lech aufgrund Platzmangel in der Pause das gesamte Set an Zaunfahnen auswechselte, um allen mitgereisten Fangruppierungen die Möglichkeit der Selbstinszenierung zu bieten.
Zwar gilt es dem Anhang von Legia den teils skurril anmutenden, fehlenden Spielbezug beim Support vorzuhalten, doch die Lautstärke und die Synchronität war über weite Strecken der Partie gewaltig. Spätestens nach der Choreografie gegen den BVB vor zwei Jahren gehört der Warschauer Stadtclub auch in Sachen Intros zu meiner persönlichen Bestenliste. So erahnte ich die Blockfahne mit dem sorgfältig gemalten Spielerkreis und dem bekannten Zitat von USA-Gründervater John Dickinson beinahe. In der Pause, der Gastgeber führte in einer niveauarmen Partie nach einem tödlichen Pass mittlerweile mit 1:0, ereigneten sich interessante Szenen im Heimblock. Zum Einbruch der Dunkelheit wurden überall Fahnen verteilt und kurz darauf erstreckte sich eine kleine Blockfahne über den Mittelabschnitt des Unterrangs. Knapp fünfzig Ultras nutzten die kurze Phase, um sich zu vermummen und einheitliche Kleidung überzustreifen.
Der Schiedsrichter hatte vor Minuten den zweiten Durchgang eröffnet, doch das Geschehen auf dem Platz schien in diesem Moment zumindest im Fanblock niemanden zu interessieren. Die Kurve schwieg und dirigierte emsig Fans umher, während sich die vermummten Herrschaften mit weissen Säcken im ganzen Heimbereich verteilten. Sekunden später erhellten Dutzende Stroboskope garniert mit weissem Rauch und Schwenkfahnen den Warschauer Nachthimmel. Nach der Pyroshow sammelten sich die Vermummten wieder im Blockzentrum, packten unter der Blockfahne die Kleidung in bereitliegende Sporttaschen und verschwanden spurlos. Die gesamte Aktion wurde mit einer derartigen Ruhe und Routine und ohne eine einzige Lautsprecherdurchsage durchgeführt, die mich heute noch verwundert.
Trotz sündhaftem Verhalten im Abschluss wusste Legia den knappen Sieg über die Zeit zu retten. Wie bei allen vier Spielen in Polen schien das sportliche Kräftemessen einen Grossteil der Zuschauermassen allerdings nur bedingt zu interessieren.