Streng genommen ist Csepel eine Insel auf der Donau. Der nördliche Teil gehört zum Süden der Hauptstadt und ist seit jeher von der Industrie geprägt. Zahlreiche Plattenbauten bei der Einfahrt in den verwaisten Bahnhof lassen vermuten, dass der 21. Bezirk noch immer eine Hochburg der Arbeiterklasse darstellt. Oftmals schon haben solche Stadtteile erfolgreiche Fussballvereine mit breiter Fanbasis hervorgebracht. Hier ist es nicht anders: Der Csepel SC spielte während 51 Jahren in der höchsten Spielklasse und konnte deren Austragung viermal – letztmals vor sechzig Jahren – für sich entscheiden.
Heute spielt der im Jahre 1912 ins Leben gerufenen Sportclub in der vierten Liga und hat an diesem Wochenende ein Auswärtsspiel zu bestreiten. Jonathan und ich haben dennoch Glück, trägt an diesem frühen Samstagnachmittag doch ein kleinerer Verein aus der Gegend sein Heimspiel im sehenswerten Stadion aus.
Nebst der idyllischen Lage sorgt bei mir vor allem die Haupttribüne für erhöhten Puls. Diese Aufregung gründet einerseits in der speziellen Bauart, andererseits in der fragwürdigen Statik der Konstruktion. Eingebettet zwischen Plattenbauten und einem grossen Wasserspeicher versprüht das Stadion einen Charme, wie man ihn nur noch im Osten findet. So erinnert mich das Stadion dann auch an den Besuch im Stadion von Start Lodz – ebenfalls mit einem Spiel der siebten Spielklasse.
Bei Sonnenschein, der die Herbststimmung richtiggehend zum Ausdruck bringt, sehen 50 Zuschauer einen 4:1-Heimsieg des Spitzenreiters, der die Kräfteverhältnisse widerspiegelt. Das bescheidene Niveau der Gäste lässt sich stellvertretend in einer Aktion des Stürmers beschreiben, der in der Schlussviertelstunde den Wechselwunsch signalisierte. Nachdem er vom Platz und auf die Tribüne hinkte, steckte er sich mit dem Feuerzeug seiner Freundin erstmal eine eine Zigarette an, während sich seine elf Freunde auf der holprigen Unterlage bis zum Schlusspfiff weiter vergebens die Lungen aushusteten.