In nüchterner Tonlage verliest der Speaker die Namen der Gästeakteure. Wir sind in Budapest, wo an diesem Samstagabend das Stadtderby zwischen Ferencvaros und Ujpest steigt. Das Stadion erinnert an den Komplex im Westen von St. Gallen, nur die Kurve liegt am anderen Ende der Haupttribüne und trägt ihre Fangesänge ungleich motivierter in Richtung Spielfeld.
Dies war nicht immer so. Bis ins vorletzte Jahr boykottierte die aktive Fanszene die Spiele und positionierte sich damit klar gegen den Venenscan am Stadioneingang und den kriminellen Vereinspräsidenten Gabor Kubatov. Der Parteikollege von Viktor Orban reagierte, wie es sich für einen Vertreter aus nationalkonservativen Regierungskreisen gehört, trotzig und sperrte die Jungs rund um die führende Gruppierung Green Monsters aus.
Diese werden heute von zahlreichen Freunden aus Wien unterstützt. Zum Einlauf gibt es eine sehenswerte Choreografie mit Meister Yoda aus Star Wars in der Hauptrolle, der sich zur bekannten Äusserung „Die Macht ist mit uns!“ hinreissen lässt. Unbestritten profitiert die Fankurve von Fradi qualitativ von Rapid, nicht nur einmal erinnerte mich der B-Közép gar an den Block West. Trotzdem ist mir der Einfluss der Österreicher zu gross. Da wirkt das zu weit ausgerollte Spruchband vor Anpfiff beinahe erfrischend authentisch. Eine Freundschaft ist jedoch naheliegend, zumal die im Jahre 1899 gegründeten Vereine erstaunliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Nicht nur die Farben der Rekordmeister sind die gleichen, sondern auch diejenigen des Stadtrivalen.
Auf der anderen Seite verweigert die führende Gruppierung Viole Fraternity seit einigen Wochen die Unterstützung als Antwort auf den schwachen Saisonstart. Nebst zahlreichen Spruchbändern haben auch sie eine Choreografie angeordnet. Die dargestellte Zerschlagung des eigenen Vereinswappens garniert mit Glitzerfolien mutet dem neutralen Zuschauer komisch an, hat aber seine Berechtigung, zumal es sich um das neue Vereinswappen handelt. Ein neues Design, sei es abstrahiert und noch so modern in den Augen eines Marketingfachmannes, hat bei der kritischen Fanbasis zurecht oftmals einen schweren Stand.
Auf der Spielfeld gelingt Grün-Weiss im Laufe der ersten Halbzeit aus einer unübersichtlichen Situation heraus der vielumjubelte Führungstreffer. Als Antwort darauf gibt es eine schöne Pyroshow der Heimfans. Zu Beginn der zweiten Halbzeit raucht es erneut im Hintertorbereich, ehe sich das Ganze zu einem richtiggehenden Pyro-Inferno verwandelt; Silvesterraketen inklusive. Interessant zu beobachten, wie gelassen die restlichen 18’759 Zuschauer mit der Situation umgehen. Keiner motzt, der Speaker verzichtet auf wirkungslose Durchsagen und die abgebrannten Fackeln werden dem Feuerwehrmann im Innenbereich teils unvermummt direkt in die Hand gereicht. Schlussendlich reicht es dem Favoriten Ferencvaros zu einem knappen 1:0-Heimsieg. Einen alternativen Spielbericht von Sitznachbar Brucki findet ihr hier.