Einem der besoffenen Poltergeister, die unser Zimmer in der Nacht heimgesucht wurde, lief ich nach der morgendlichen Dusche in der Jugendherberge direkt in die Arme. Mit halb geschlossenen Augen, in jede erdenkliche Richtung abstehenden Haare und einem Pullover mit der Aufschrift „Praha-Drinking-Team“ gab er ein durchaus amüsantes Bild ab. Dem Namensvetter und mir blieben die Nachwirkungen nächtlicher Eskapaden erspart, da wir uns aufgrund des Tagesprogramms vom Sonntag gegen einen Besuch im Nachtleben von Bellinzona entschieden haben.
Vor dem Spiel blieb dank der frühen Abfahrt somit noch genügend Zeit für einen Abstecher auf den Cardada, den Hausberg des Städtchens. Oben angekommen genoss man vor allem das Panorama von der Aussichtsplattform über den Lago Maggiore und die Bergwelt. Hinunter ging es abermals per Bahn, sodass noch Zeit blieb, die kulinarischen Bedürfnisse bei warmem Sommerwetter zu stillen, ehe sich unser Duo noch für einige Zeit an den See setzte und flanierte beziehungsweise doch noch etwas Schlaf nachholte.
Für 8 Franken wurde einem anschliessend Einlass ins Stadio Lido gewährt; allerdings erst nach den peniblesten Einlasskontrollen, die ich je erlebt habe. Da wurde sogar meine Zahnbürste argwöhnisch begutachtet und der Rasierer beinahe als tückisches Wurfgeschoss mit Gefahrenpotenzial abgetan. Ziemlich genervt wandte ich mich aufgrund dieser Malträtur an den einzigen Offiziellen der der deutschen Sprache mächtig war und uns widerwillig den Grund für das Prozedere zu erklären versuchte. In Mendrisio sei bei der letzten Partie eben „etwas passiert“.
Somit also zusammen mit dem Dutzend Badener Fans einfach einmal mehr Opfer von paranoiden Sicherheitschefs geworden. Wäre ja noch einigermassen verständlich gewesen, falls die Verantwortlichen statt dem einen obligaten Sicherheitsmenschen für einmal einen zweiten positioniert hätten, aber dass quasi jeder Gästefan seinen eigenen Bewacher hatte finde ich dann doch arg übertrieben. Klar, dass Baden mit ihrer Anhängerschaft in der vierten Liga weiterhin eine Rarität bleibt, aber gerade als ehemaliger Profiverein sollte man doch zumindest in einem gewissen Rahmen das Gefahrenpotenzial einer Fangruppierung richtig einschätzen können. Regelübertretungen gab es natürlich nicht und wenn dann nur auf dem Rasen, wo der Gästetorhüter aufgrund einer klassischen Notbremse bereits früh des Feldes verwiesen wurde. Den fälligen Strafstoss verwandelten die Tessiner souverän. Auch in der Folge diktierten sie die Partie und führten nach 20 Minuten, wohl auch durch die Überzahl bedingt, schon mit zwei Längen. Dies freute auf der Heimseite die wenigen Supportwilligen, mitunter einen im Auto sitzenden Fan, der ständig irgendwelche Rhythmen auf der Hupe spielte. Erinnerungen an das gestrige Spiel kamen auf, wo der Aussenseiter auch früh klar im Hintertreffen lag, schlussendlich aber noch die Kehrtwende erzwang. Und tatsächlich war es dann auch so. Im zweiten Abschnitt drehten die Aargauer mächtig auf und konnten unter der Obacht vom 230 Zuschauer trotz Unterzahl dank einem späten 2:2 dem Aufstiegsaspiranten zumindest den einen Punkt abluchsen.
Für uns ging es in der Folge mit der Erkenntnis, das Mallorca der Deutschschweizer wie auch einige neue debattierfreudige Kumpanen gefunden zu haben, wieder in die Heimat.