Vor ein paar Tagen in einer Volkswirtschaftsprüfung auf die Maslowsche Bedürfnispyramide zurückgreifen müssen und mir dabei gedacht, dass ich meine Schwerpunkte doch recht klar bei Stufe fünf „Selbstverwirklichung“ setzte. Apropos Bedürfnisse, für einmal verzichtete man auf ein Sicherheitsbedürfnis und nächtigte am Flughafen. Hab schon schlechter geschlafen, für einmal noch okay. Zum Schluss des Monats September sollte es nämlich noch für ein paar Tage in die Wärme nach Bordeaux gehen und da Mister Easy schon recht früh in die Lüfte abhob, entschied man sich für diese Variante. Wenigstens einmal den gehassten Wecker keck umgangen. Wie gesagt Frankreich war das Ziel. Gebucht wurde die ganze Sache wenn ich mich richtig erinnere so Mitte August. Bordeaux ergab sich dann einfach, da man Bock auf Ferien hatte und sich diese Variante sowohl preislich als auch kulturell als interessant herausstellte. Der Fussball durfte natürlich auch nicht fehlen. Definitiv terminiert wurde zu dieser Zeit noch nichts, jedoch sollten Bordeaux sowie auch Toulouse zuhause spielen. Der Kick in Toulouse (gegen PSG) musste man dann aber streichen, da es von der Zeit nicht gereicht hätte. Wäre auch zu schön gewesen. Egal, immerhin mit der Partie Bordeaux – Rennes blieb auch so ein Highlight. Bordeaux spielt ja im Moment ausserordentlich stark.
Nun aber zurück zur Reise. Diese begann am Freitagabend mit ein paar Bierchen und der Zugfahrt nach Basel. Mein Begleiter für diesen Urlaub sollte Kumpel Simon sein. Am Flughafen angekommen dann mehr Leute die vor Ort übernachteten, als ich angenommen hatte. Ein Teil davon waren allerdings auch Obdachlose. Dann einige Stunden geschlafen, ehe ich so gegen fünf Uhr von einer Putzhilfe geweckt wurde. Von da an war nicht mehr an Schlaf zu denken, denn es herrschte schon reger Betrieb. Wir hatten jedoch noch einige Zeit bis unser Flug abheben sollte. Diese vertrieb ich mir durch ein Gespräch mit einer hübschen Dame, ein deutsches Model, wie sich herausstellte. Ihr Management hatte den Flug irgendwie falsch gebucht und so sass die bemitleidenswerte Dame noch ein paar Stunden am Hafen fest. Zumindest für mich eine schöne Abwechslung (auch für die Augen) neben all den Spassvögeln und übervorsichtigen Flugpassagieren, von denen es nur so wimmelte.
Irgendwann hoben auch wir ab und rund eine Stunde später landete man bei angenehmen Temperaturen in der Weingegend Frankreichs. Wer ins Stadtzentrum will, muss dann erstmal noch eine knappe Stunde einberechnen. So auch wir, denn dort lag nämlich unser Hotel oder besser gesagt die Wohnung. Leider war diese jedoch noch nicht bezugsbereit und die Bitte ans Personal, uns doch wenigstens den Abstellraum aufzuschliessen, wurde mit der Begründung „Es sei Pause bis um 14 Uhr“ abgewiesen. Da wir in Frankreich sind wird diese natürlich auch strikt eingehalten. Nur mit dem Arbeiten nehmen sie es nicht so genau. Also eine Alternative gesucht und mit den Abstellkammern am nahen Bahnhof dann auch gefunden.
Von dort chauffierte uns der Zug ins nahegelegene Arcachon, einem Badeort an der Atlantikküste. Das Thermometer zeigte unterdessen Werte knapp unter 30 Grad und den Rest des Tages verbrachte man an der Sonne und im Wasser. Am Abend ging es per Zug wieder die gleiche Strecke zurück und nun war das Appartement auch bereit. Kurz frischgemacht, ein gutes Nachtessen gegönnt und sich dann verhältnismässig früh ins Reich der Träume verabschiedet.
Am Spieltag wurde erstmal ausgeschlafen, ehe es Zeit für Sightseeing war. Bevor es zum Stadion gehen sollte, machte man noch kurz an einem Kiosk halt und wettete zusammen eine anständige Summe auf das Heimteam. Eigentlich hätte ich es lassen sollen, denn die Vorzeichen standen gar nicht gut. Die letzten zwei Partien in Frankreich hatte ich nämlich auch auf die Hausherren gewettet und da kriegten diese Dilettanten jeweils noch ein unnötiges Tor in der Schlussphase und ich war meine Kohle los. Aber ich war mir sicher, heute sollte es erstmals klappen. Die Spielstätte der Girondins finde ich übrigens speziell schön. Das Stade-Chaban-Delmas wurde im Art-Déco-Stil errichtet. Für die Europameisterschaft in zwei Jahren wird jedoch ein neues und grösseres Stadion gebaut. Den Zusatz Girondins tragen die Hausherren übrigens von den Girondisten, welche Mitglieder einer Gruppe (Gironde) von Abgeordneten, die während der französischen Revolution in Erscheinung trat.
Die Partie dann nur halb so spannend wie der geschichtliche Hintergrund der Gastgeber. Das Team von Willy Sagnol machte überdurchschnittlich viele Fehlpässe und auch individuelle Fehler gab es meines Erachtens zuviel. So waren es vor allem die Gäste, die mit Gelson Fernandes und Pedro Henrique über zwei bekannte Gesichter verfügen, welche im ersten Abschnitt zu nennenswerten Aktionen kamen. Auch im zweiten Durchgang war es zeitweise zum Verzweifeln, was da auf dem Platz geboten wurde. Die Erlösung dann nach 73 Minuten als Whabi Khazri aus offsideverdächtiger Position zum 1:0 traf. Die Gäste waren aber keineswegs um eine Antwort verlegen und kamen in der 80. Minute durch Habib Habibou (was für ein Name) zum verdienten 1:1 Ausgleich. Also wieder einmal mein Geld verspielt, denn hier sollte es bei der Punkteteilung bleiben, soviele Fehler wie die Hausherren heute machten. Dies dachten wohl nicht nur ich und mein Kumpel, sondern auch die restlichen 18’868 Zuschauer vor Ort. In der 93. Minute jedoch noch ein letzter weiter Ball auf Diabaté, der ihn gekonnt auf Thomas Touré ablegte und der schlenzte ihn zum 2:1 in den Winkel. Im Stadion natürlich totale Eskalation, inklusive uns zwei, die nun stolze und vor allem glückliche Gewinner dieser Wette wurden. Ich dachte ich dreh durch! Sofort die ansonsten miserable Leistung der Hausherren vergessen und die Fans feierten ihre Lieblinge und den Platz an der Sonne der Ligue 1. Dieser währte jedoch nur bis zum Abend, wo Marseille die Girondins Bordeaux wieder auf den zweiten Platz verdrängte.
Trotzdem, hier wurde gefeiert und auch wir gönnten uns im Siegesrausch das eine oder andere Bier. Am Abend ass man Pizza und trank noch ein paar Bierchen für die nötige Bettschwere.
Der vorletzte Tag wurde dann für Shopping benutzt, wo ich mir ein nettes Polo der Marke Ellesse gönnte. Preislich sind das definitiv Welten, will nicht wissen, was ich dafür zuhause bezahlt hätte! Am Tag der Abreise wurde wiederum ausgeschlafen, ehe es gegen Abend dann wieder in die Heimat ging. Und nun sitze ich hier und schreibe die letzten Zeilen von diesem Beitrag, der übrigens etwas länger wurde als ich dachte, während der Regen unaufhaltsam an meine Fensterscheibe prasselt. Hallo Schweiz, oder besser gesagt Bonjour Tristesse! Zum Glück geht’s bald wieder weg…