Selten verspürte ich derart grosse Vorfreude ob einem Spielbesuch. In Aussicht das Duell zwischen den Mannschaften aus den zwei grössten Städten Indonesiens. Unter diesen Umständen fühlte sich auch die Zugfahrt ab Jogjakarta, vorbei an unzähligen Reisfeldern, nicht wie deren fünf Stunden an.
Mit dem Bahnhof Gubeng in der Hauptstadt von Jawa Timur (Ost-Java) hatte ich mein Ziel erreicht und lief in der mittäglichen Bruthitze vorbei an teils erschreckend tiefen Löchern im Asphalt in Richtung Unterkunft. Die junge Hafenstadt, einst erbaut von niederländischen Kolonialisten an der Grenze zur Halbinsel Madura, ist wahrlich keine Schönheit. Dies wusste ich vorab und ein kurzer Stadtrundgang bestätigte das Vorurteil.
Früher als geplant machte ich mich auf zum Stadion. Für diesen Weg sollte der gemeine Stadionsammler besser auf einen Motorroller als auf ein Taxi zurückgreifen. Schliesslich führt einzig eine schmale Strasse zur Spielstätte, welche bereits weit vor Anpfiff heillos mit unvorsichtigen und rücksichtslosen Verkehrsteilnehmern überfüllt ist. Weit ausserhalb, inmitten gefluteter Felder und einer Mülldeponie, ist mit dem Gelora Bung Tomo eine Stunde nach Abfahrt das Ziel erreicht.
Vor einer Dekade erbaut, schaut das Stadion aufgrund schlechter Bausubstanz aus, als hätte es Jahrzehnte grosser Spiele hinter sich. Heute ist eindeutig eines davon, zusätzlich an einem Samstag zur Primetime mitten im Nachmittag. Der Bundesliga-Fan schnalzt mit der Zunge und auch für den indonesischen Anhänger ist die Anspielzeit eine erfreuliche Abwechslung. Zum Einlauf werden auf drei Seiten grosse Choreografien gezeigt und die 50‘000 Zuschauer im ausverkauften Rund sorgen für Gänsehautstimmung. Die Fanbereiche sind auf die Tribun Kidul (Südtribüne) und die wesentlich bekanntere Green Nord aufgeteilt. Ihre Bewohner nennen sich Bonek, was aus dem Ausdruck „Bondo Nekat“ hervorgeht und auf die „rücksichtlose und durchgebrannte Art des Fanseins unter minimalen (monetären) Ressourcen“ anspielt. Zum Schluss noch eine dritte Klarstellung, welche den Stadtnamen betrifft und weiter das Vereinslogo erklärt. So steht Sura für das Wort Haifisch und B(u)aya für das Krokodil.
Auf dem Rasen geht es trotz lauter Unterstützung torlos in die Pause. Allgemein rechtfertigt das bescheidene Niveau der Akteure nur selten das Dargebotene auf den Rängen. In der Mitte der zweiten Hälfte gelingt den Hauptstädtern gegen den Spielverlauf die Führung. Aus Trotz wird das Tor auf der Anzeigetafel dennoch Persebaya zugeteilt. Schliesslich pflegt Persija eine Bruderschaft mit dem Feind Arema, für die Bonek eine Todsünde. Persebaya macht hingegen mit Persib Bandung, getreu dem Motto aus dem griechischen Heldentum „der Feind meines Feindes ist mein Freund“, gemeinsame Sache. Dieser Koalition geschuldet, verirrten sich heute keine Gästefans ins weite Rund. Wie in Indonesien üblich, musste zur Beruhigung der Massen ein Penalty herhalten. In der 80. Minute war er, wie prophezeit, Tatsache und die Gastgeber nutzten die Grosschance zum Ausgleich. Das 1:1-Unentschieden hatte bis zum Schlusspfiff Bestand.
Der Punkt ist zu wenig für die emotionsgeladenen Heimfans, die prompt die Hymne verweigern und aus Protest gleich mehrere kleinere und grosse Feuer auf den Rängen entfachen. Verbrannter Plastik sorgte nebst dem Gestank zusätzlich dafür, dass innert Minuten dunkle Nebelschwaben über dem Rasen liegen. Die Polizei beobachtet das Treiben regungslos.
Wer nach Spielschluss auf Vertreter der bekannten Taxi-Anbieter (Grab/Gojek) wartet, wird enttäuscht. Keiner der Fahrer nimmt sich den chaotischen Zuständen rund um die Spielstätte zu jener Uhrzeit an. So finde ich zwei Stunden nach Abpfiff schliesslich Platz auf dem Motorrad eines Indonesiers, der überraschend gut Englisch spricht. Seinen Enkel verfrachtete er für den Weg in die Stadt auf das Gefährt seines Kollegen. Vier Personen zwängten sich auf das zweite Motorrad, nur um mir genügend Platz auf dem Roller meines neuen Freundes zu garantieren – ein weiteres Beispiel der hiesigen Freundlichkeit.