Mit knapp siebzig Fussballplätzen in der Schweiz behaupte ich, bereits eine beträchtlicher Menge einheimischer Stadien besucht zu haben. Trotzdem ist die To-Do-Liste noch immer von stattlicher Länge, wobei ich dem Stadion an erster Stelle, jenem von Urania Genève Sport, heute endlich einen Besuch abstatten sollte.

Gelegen in einem ruhigen Quartier in Genf kann das Stade de Frontenex auf eine lange und bewegte Vergangenheit zurückblicken. Erbaut kurz nach dem ersten Weltkrieg war es nicht nur Schauplatz der Cupspiele, die Urania Genève Sport 1929 allesamt gewann und schliesslich im Final auch noch die Berner Young Boys besiegte und somit den ersten und einzigen Cupsieg feierte. Nein, einige Jahre später kam gar eine Vizemeisterschaft hinzu, in der sich UGS lediglich den Grasshoppers aus Zürich geschlagen geben musste. Nebenbei fanden im Vélodrome um das Spielfeld auch nationale Wettkämpfe im Radsport statt.

Seit Jahren ist es aber ruhig geworden um den Verein und dessen altehrwürdige Spielstätte. Die Radbahn wird nicht mehr genutzt und das Stadion ist jeweils nur noch spärlich gefüllt, wenn Urania jeweils ihre Heimspiele der 2. Liga interregional hier austrägt. Diese Saison macht das UGS aber ausserordentlich gut, sodass sie als Tabellenführer gute Chancen auf einen Aufstieg in die 1. Liga classic haben. Dafür ist aber auch heute ein Sieg gegen den Gast aus dem Wallis von Vorteil, der zumindest auf dem Papier her den Kürzeren zieht.

Als ich wegen des Feierabendverkehrs erst knapp vor der geplanten Anpfiffszeit das Stadion erreichte, sassen die Spieler nur lässig auf der Treppe vor der Tribüne. Was war der Grund dafür? Ich fragte beim Trainer nach, wobei dieser statt einer Antwort schlicht eine Gegenfrage auf der Zunge liegen hatte. Ob ich denn der Verantwortlicher von Saxon-Sport sei? Mit der Geschichte über meiner Leidenschaft habe ich ihn verschont und es bei einem kurzen „Non, Monsieur, je suis désolé“ belassen. Kurze Zeit hatte es mich aber gereizt, dem Trainer ein skurriles Schauermärchen aufzutischen, zumal ein bescheidener Fussballer wie ich nicht oft die Chance hat, eine Partie der fünften Spielklasse mitzuentscheiden.

Kurz vor Ablauf der „Wartefrist“ tauchten endlich erste Spieler von Saxon auf, die den Anwesenden wie artige Primarschüler sogleich den Grund für ihr verspätetes Erscheinen mitteilten: Ihr Mannschaftscar war aufgrund des Feierabendverkehrs rund um Genf im Stau stecken geblieben. So konnte es mit 45 Minuten Verspätung doch noch losgehen. Bis dahin blieb mir Zeit für ein paar Fotos sowie einen Becher kühles und appetitliches Bier – der Spezialist tippt auf das belgische Leffe.

In einem kampfbetonten Spiel erzielte der Aussenseiten aus dem Wallis in der Mitte der ersten Halbzeit per Volley die Führung. Unter den 60 Zuschauern waren auch einige ältere Herren, die den Gästen die Daumen drückten, denn anders ist die witzige Aussage „L’arbi c’est l’heure“ (Schiedsrichter, es ist Zeit abzupfeifen) eines solchen unmittelbar nach dem Führungstreffer nicht zu erklären. Dieser hörte natürlich nicht auf den ironisch gemeinten Ratschlag des Seniors hören und liess das Spiel weiterlaufen. Zehn Minuten später folgte der verdiente Ausgleich, ehe die Mannschaften für eine verkürzte Pause den Gang in die Katakomben antraten. In der zweiten Halbzeit drohte das gehässige Spiel dem Schiedsrichter langsam aber sicher aus den Händen zu gleiten. Es regnete gelbe Kartons auf beiden Seiten während Torchancen Mangelware blieben. Schlussendlich fand der Ball aber doch noch einmal hinter die Linie. Unerwartet beim Leader UGS, der nach dem 1:2 nicht nur mit dem Schiedsrichter, sondern auch mit dem Auftritt der Gäste haderte.

Höchste Zeit, mich aus dem Staub zu machen, um als vermeintlicher Saxon-Verantwortlicher nicht noch für das zu späte Erscheinen sowie den unverdienten Punkteklau geradestehen zu müssen.