Ein Klassiker im letzten Gruppenspiel der Europa League sollte mich in die französische Stadt Saint-Étienne locken, wo der dort ansässige Fussballverein auf Lazio Rom traf. Neben dem fussballerischen galt es auch den fantechnischen Aspekt zu berücksichtigen, der mich überhaupt erst zu einem Besuch bewog. Beide Vereine scharen treue Anhänger um sich, wobei ich jene der Gastgeber sogar als Landesprimus betiteln würde. Von dieser Tatsache ebenfalls überzeugen, wollte sich Lukas, der mich begleiten sollte. Gemeinsam startete wir am Donnerstagmorgen von Lausanne aus per Zug in Richtung Zielort, das wir kurz nach dem Mittag erreichten. Der öde Grauton französischer Dörfer war noch nie besonders schön, wobei die kahlen Bäume und ein bedeckter Himmel am heutigen Tag gar ein noch tristeres Landschaftsbild als gewöhnlich abgaben.
Kurz vor Lyon fand die Wolkendecke eindrücklich und abrupt ein Ende, sodass uns Saint-Étienne bei strahlendem Sonnenschein erwartete. Den restlichen Tag verbrachten wir nach dem Bezug der Unterkunft auf dem Eisfeld in der Innenstadt, mit obligaten Sightseeing sowie allerhand Shopping, kombiniert durch planloses Schlendern entlang dem Weihnachtsmarkt.
Dort liessen wir uns mit einer „Diot de Savoie“ eine traditionelle regionale Wurst servieren, die gekocht im Weisswein mit Zwiebeln und Raclette garniert im Brot daherkommt. Die Dame hinter dem Tresen erkundigte sich nach dem Grund unserer Reise und war ziemlich überrascht, als sie erfuhr, dass wir für das Spiel am Abend hier seien. Es gesellte sich noch ein Kollege von ihr dazu, der sich als ehemaliger Angels (nicht die Motorradgang, sondern die zweitgrösste Fangruppe in Saint-Étienne) entpuppte und sich mit uns über die hiesige Ultra-Bewegung und die allgegenwärtigen Repressionen unterhielt. Am späten Abend brachte uns schliesslich die Strassenbahn zum Stade Geoffroy-Guichard, das anlässlich der Euro 2016 renoviert und ausgebaut wurde. Für die Endrunde fasst es knapp 42’000 Plätze und dient neben einigen Gruppenspielen auch einem Achtelfinale als Austragungsort.
Bewusst hatten wir Plätze auf der Längsseite des Spielfeldes gewählt, um neben den beiden Fankurven auch idealen Blick auf den Gästesektor zu haben. Bekanntlich darf man sich bei einer Schar Islamisten bedanken, die mit einem Angriff auf die westlichen Werte der Freizügigkeit dafür sorgten, dass ein ganzes Land in Angst verfällt und nunmehr bis auf weiteres keine ausländischen Gästefans duldet. Zumindest beim heutigen Duell hätte man bezüglich allfälliger Märtyrer in den Reihen der Gäste allerdings keine Angst haben müssen. Zwar sind die Irriducibili wahrlich keine Kinder von Traurigkeit, alleine durch ihre rechte Ausrichtung würden sie aber in keiner Weise das Gedankengut dieser Extremisten teilen.
Zurück zum erfreulichen Teil dieses Aufeinandertreffens. Äusserst positiv in Erinnerung bleiben wird die Choreografie auf beiden Hintertorseiten der Heimfans. Während die Kurve rund um die Magic Fans ein Bild von Alex, dem Hauptdarsteller aus dem Film Clockwork Orange mit dem Akroymn der Magic Fans zeigte, flankierten Pyros und Fähnchen in den (schönsten) Clubfarben (der Welt) die Aktion. Auf der Gegenseite war der Schriftzug „Et dieu crea les verts“ (Und Gott schuf die Grünen) zu lesen. Darunter war das Clubwappen, inszeniert in einer originellen Anspielung auf das bekannte Deckenfresko des italienischen Maler und Bildhauers Michelangelos, zu sehen.
Nachdem die Choreografie minutenlang präsentiert wurde, folgte ein imposanter Dauersupport und neben dem „Poznan“ wurden uns auch immer wieder laute Wechselgesänge geboten. Beide Seiten zeigten sich gut aufgelegt, jene um die Magic Fans war wohl noch etwas lauter als ihr Gegenüber.
Gespielt wurde ja auch noch, wobei mir bei den Hausherren vor allem die Nummer elf, Valentin Eysseric, gut gefiel. Dieser war es dann auch, der nach der Führung für die Gäste in der ersten Halbzeit um das 1:1 besorgt war und damit den Lärmpegel bei den 28’954 Zuschauer ansteigen liess. Danach war das über weite Strecken chancenarme Spiel endlich interessant, es blieb aber beim Unentschieden. Damit erreichen beide Teams die KO-Runde der Europa League. Zu erwähnen sei noch der von den Magic Fans im Gästesektor angebrachte Banner mit dem Schriftzug „Gabriele Vive“, der einen verstorbenen Lazio-Tifoso würdigte.
Nach Spielschluss verabschiedeten wir uns von „Frankreich’s Finest“ und am nächsten Morgen ging es zu unbürokratischer Abfahrtszeit bereits wieder zurück in Richtung Schweiz. Grün-Weisser Mythos!