In Georgien existieren bis heute Regionen, die ausserhalb der staatlichen Kontrolle stehen. Das bekannteste De-facto-Regime ist das im Westen des Landes gelegene Abchasien, das sich nach dem Niedergang der UdSSR mit russischer Hilfe für unabhängig erklärte. Auch Südossetien ersuchte zu dieser Zeit eine engere Bindung zum russischen Nordossetien und hält diese bis zur Gegenwart mit russischer Unterstützung aufrecht. Als unabhängige Staaten werden beide Regionen weltweit nur von jeweils fünf Ländern anerkannt. Als Antwort auf den Krieg mit Russland 2008 und den Verlust der beiden abtrünnigen Regionen wendet sich Georgien seither auf verschiedenen politischen Ebenen verstärkt dem Westen zu.

In Abchasien liegt auch Gagra, ein kleiner Küstenort am Schwarzen Meer, unweit der russischen Grenze. Mit Goderdzi Chikhradze und seinem Cousin Beso hegten 2004 zwei aus Gagra stammende Georgier den Plan, der Region mit dem FC Gagra einen Klub im georgischen Ligasystem zu schenken. Aufgrund der anhaltenden russischen Okkupation verwirklichten sie ihre Idee stattdessen in Tiflis – in Gagra hat der Klub indes noch kein einziges Spiel ausgetragen. So prangt eher symbolisch im Vereinswappen der Schriftzug «Georgia United», der als Aufruf zur Wiedervereinigung Abchasiens mit Georgien zu verstehen ist und dem Klub Kritik eingebracht hat, da er im Konflikt als georgische Propaganda angesehen wird. Nicht zu verwechseln ist der FC Gagra mit dem FK Gagra, der sich als Nachfolger des aufgelösten Klubs Dinamo Gagra sieht und aktuell am Spielbetrieb der höchsten Liga Abchasiens teilnimmt.

Gespielt wird im Davit-Petriashvili-Stadion im Norden von Tiflis, die Szenerie erinnert aber eher an eine Partie in einem Wüstenstaat: eine Lage im Niemandsland, Staub auf der Laufbahn, eine sterile Tribüne und – allem voran – zahlreiche leere Sitzschalen. Nur gerade 300 Zuschauer bevölkern die Spielstätte und sehen ein bescheidenes 0:0. Für den grössten Aufreger sorgt ein Kleinkind, das mehrere Sitzreihen herunterfällt (was hier lediglich Erwähnung findet, weil der Vorfall zum Glück nur kleine Blessuren und grosses Weinen zur Folge hat). Deutlich interessanter ist der Gegner und dessen Herkunft: Mit dem FC Dila Gori ist der Klub zu Gast, der seinem Namen dem bekannten Gedicht «Dila» (Morgen) verdankt. Es stammt aus der Feder von Josef Dzhugashvili, besser bekannt als Josef Stalin. Gori ist denn auch die Stadt, in welcher der Vater der Sowjetunion einst das Licht der Welt erblickte.