2022 war für Lokomotivi Tbilisi ein Jahr zum Vergessen. Hatte der Klub im Herbst 2020 noch in der 3. Qualifikationsrunde zur Europa League gestanden, brachte er in der jeweils unter dem Kalenderjahr ausgespielten Vorsaison kein Bein vor das andere: Aus 36 Spielen resultierte ein einziger Sieg, dazu gab es über 100 Gegentore. Für die grösste Schmach zeichnete allerdings die eigene Zweitmannschaft verantwortlich: Während sich Lokomotivis Profis bereits im Achtelfinal aus dem Wettbewerb verabschiedet hatten, qualifizierte sich der Viertligist sensationell für den georgischen Pokalfinal.

Auch nach dem Abstieg hängt der Haussegen beim Klub mächtig schief, der derzeit auf einem Relegationsplatz stehend weiterhin um die kommende Teilnahme an der zweiten Liga zittern muss. Gegen den Favoriten aus der Küstenstadt Poti zeigten die Gastgeber allerdings einen gelungenen Auftritt und gingen früh in Führung. Lediglich ein kurz ausgeführter Eckball vermochte die Abwehr der Hauptstädter in der Folge zu knacken und das 1:1 kann von den 300 Zuschauern als Teilerfolg auf der Mission Ligaerhalt gewertet werden. Seine Heimspiele trägt der Eisenbahnklub auf dem ausgebauten Nebenplatz des Micheil-Meschi-Stadions aus, das am Fusse des bewaldeten Hangs unter dem bekannten Schildkrötensee liegt.

Lokomotivis Heimatbezirk Saburtalo wirkt mit seinen modernen Gebäuden, Hochhäusern und Bürokomplexen wie ein Fremdkörper in Tiflis und Georgien, das ansonsten eher von gelb markierten oberirdischen Erdgasleitungen, Autos, denen die halbe Karosserie fehlt, und von Strassenhunden geprägt ist. Immer wieder sorgen auch Alltagsszenen für Unterhaltung: Sei dies in Form eines 1860er-Trikots aus der Kleidersammlung oder eines alten Feuerwehrautos, das bei seinen Einsätzen noch immer die Aufschrift aus dem bayrischen Geretsried trägt.

Abseits dieser Eindrücke zeigt sich besonders Georgien von seiner religiösen Seite: 90 Prozent der einheimischen Bevölkerung sind Christen, hauptsächlich georgisch-orthodox, und das mit einer Hingabe, die sich nicht nur auf dem Papier widerspiegelt. Auf ausgeprägten Traditionen beruht auch die lokale Küche, die kulinarische Köstlichkeiten wie Khachapuri (überbackenes Käsebrot), Khinkali (gefüllte Teigtaschen) oder Dolma (gefüllte Weinblätter) bereithält. Zumindest aus optischer Sicht gewöhnungsbedürftig sind hingegen die verbreiteten Tschurtschchela – aufgeschnürte Nüsse mit einem Überzug aus Traubensaft.