Ganz ohne Fussball sollten die Tage in der Kaschubei dann doch nicht verstreichen. Und so stieg ich am Tag des polnischen Pokalfinals kurzfristig in den Zug nach Warschau. Zwar hatte Rakow Czestochowa einen Traumfinal auf Fanebene zwischen Legia Warszawa und Lech Poznan verhindert, doch aus sportlicher Sicht verkörperte das Aufeinandertreffen der «Krebse» mit dem Klub aus Westpolen den logischen Final. Zumal Rakow, amtierender Pokalsieger und Aufsteiger der letzten Jahre, sich mit Lech auch in der Meisterschaft einen spannenden Zweikampf um den Titel liefert.
Ein sturer Stadtpräsident
Was aber an jenem Montagnachmittag am Ufer der Weichsel folgte, verkörperte den wohl trostlosesten Cupfinal in der Geschichte des polnischen Fussballs. Verantwortlich dafür war mit Rafal Trzaskowski niemand geringerer als der Bürgermeister Warschaus, der auf Empfehlung der städtischen Feuerwehr hin sämtliche Banner und Fahnen – und damit auch Choreografien – verbot, welche die Masse von 1,5 x 2 Meter überstiegen. Eine Missachtung seiner kurzfristig eingeführten Regelung sah gestützt auf Art. 58 des polnischen Sicherheitsgesetzes zu Massenveranstaltungen eine Freiheitsstrafe von bis zu 8 Jahren vor.
Mit dem polnischen Fussballverband ging gegen diese absurde Regelung gar der Veranstalter des Endspiels in Berufung. Trzaskowski blieb jedoch bei seiner Meinung und verwies auf den Brandschutz. Da kurzfristige Repressalien im Hinblick auf den Pokalfinal in Polen keine Neuheit bedeuteten, appellierten die Fanszenen an die Vernunft und reisten trotzdem an. Dass dennoch nicht alle von ihnen an eine erneute Kursänderung glaubten, zeigten die zahlreichen Einweggrills und Campingstühle hinter der Lech-Kurve. Und so war es denn auch: Trzaskowski zeigte auch am Spieltag selbst keine Einsicht. Und obwohl Lech Walesa in diesem Kontext eher Glatze und ein T-Shirt mit martialischem Spruch darauf trug, erinnerte mich die Konsequenz, mit der die Fanszene Lechs angeführt von ihrem Vorsänger solidarisch vor den Toren des Stadions verharrte, an die Einstellung des Solidarnosc-Anführers, dessen Grundsätze mich tags zuvor im Museum in Danzig bereits beeindruckt hatten.
Übermannt von Gefühlen
Anders sah das Bild auf Seiten Rakows aus. Hier gab es bis kurz vor Schlusspfiff zwar ebenfalls keine Bemühungen um stimmliche Unterstützung, doch mit – zugegeben günstigem – Spielverlauf strömten immer mehr rotgekleidete Fans in die Kurve. Als mit dem 3:1 für Czestochowa der Pokalsieg eine Viertelstunde vor Schluss praktisch feststand, hob die Fanszene übermannt von Gefühlen und wohl auch überfordert von der Konsequenz auf Seiten Lechs ihren Boykott auf. Eine Aktion, die ihr in der polnischen Fanlandschaft in den Tagen darauf viel Hohn und Spott einbringen sollte. Während Lech also im Jubiläumsjahr die erste Chance auf einen eigenes Geschenk zum 100. Geburtstag verpasste, feierte Rakow zusammen mit einem Teil der 35‘694 Zuschauer in doch eher trostlosem Ambiente den zweiten Pokalerfolg de suite.
Optimistisch in die Zukunft blicken liessen da einzig die Worte des Verbandspräsidenten Cezary Kulesza, der im Nachgang der Partie in den sozialen Medien anmerkte, bei anhaltender Drangsalierung durch die Warschauer Politik den Final zukünftig nicht mehr in der Hauptstadt auszuspielen. Mit dem Stadion Slaski würde in Chorzow auch schon eine reizvolle Alternative bereitstehen.