Gastiert der FK Sarajevo in Siroki Brijeg, ruft dies interessierten Fussballfans unweigerlich die Geschehnisse aus dem Oktober 2009 ins Gedächtnis zurück. Wie immer, wenn der bosnische Hauptstadtklub im kroatisch geprägten Teil der Herzegowina antritt, herrschte auch vor 14 Jahren bei den Behörden erhöhte Alarmbereitschaft.

Schliesslich geht es für die meisten der rund 30‘000 Einwohner in der Stadt am breiten Hügel (Siroki Brijeg) bei diesem Duell um mehr als drei Punkte für eine Schlussplatzierung, die zur Teilnahme am internationalen Geschäft berechtigt. Wie etwa in Banja Luka in der Republika Srpska ist auch in der fast ausschliesslich von Kroaten bewohnten Gemeinde das Stadion zum Schauplatz interethischer Querelen geworden, die den Vielvölkerstaat Bosnien-Herzegowina seit Ende des Krieges Anfang der 90er-Jahre eng begleiten.

Nur eines war an jenem verhängnisvollen Herbsttag anders, als sich Sarajevos Horde Zla (Horde des Bösen) und die nach der antikommunistischen Guerilla-Armee benannten Skripari (Kreuzfahrer) gegenüberstanden: Weil zeitgleich das Stadtderby von Mostar stattfand, waren beim zweiten Hochrisikospiel in der Region deutlich weniger Polizeikräfte vor Ort.

Gespielt werden sollte an diesem Tag keine einzige Minute, stattdessen wird bei den Ausschreitungen in der Stadt Sarajevo-Fan Vedran Puljic von einer Polizeikugel derart unglücklich getroffen, dass er kurz darauf im Krankenhaus verstirbt. Die Horde Zla zerstört nach dieser Meldung die Stadt und zündet ein Polizeiauto an – insgesamt werden 10 Personen verletzt, darunter mehrere Polizisten. Für den Mord an Puljic werden zwei Verdächtige in Gewahrsam genommen, aber noch vor einer allfälligen Verurteilung wieder entlassen. Erst 2017 wird ein nach Kroatien geflohener Polizist verhaftet und 2022 nach einem langwierigen Prozess zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe wegen gefährlicher Handlungen verurteilt. Vom zweiten Anklagepunkt, jenem des versuchten Mordes, wird er hingegen freigesprochen.

All diese Erinnerungen halten bis zum heutigen Tag an, weshalb die Horde Zla für die Reise ins Stadion Pecara im gleichnamigen Ortsteil in den eigenen Reihen bewusst mobilisiert. Prompt ist es ein eindrückliches Bild der in Bomberjacken gekleideten Sarajevo-Fans, das – auch wenn die Freundschaft zu Dynamo Dresden seit zwei Jahren beendet ist – an eine Schar ostdeutscher Anhänger erinnert. Doch nicht nur die Gäste legen einen lautstarken Auftritt hin, auch die Gesänge der Heimanhänger – besonders jene, die sich gegen die Hauptstädter richten – erreichen eine beeindruckende Lautstärke und werden von praktisch allen der 5’000 Zuschauer inbrünstig in Richtung Gästeblock getragen.

Dieser wird von der Polizei nach rund 75 Minuten geräumt, wie es bei Risikospielen in Bosnien-Herzegowina üblich ist – noch beim Hinausgehen kann der «12. Mann des Klubs aus Titove 38b» den dritten Treffer bejubeln. Die Sarajevo-Fans sind längst wieder auf der Heimreise, als mit dem 1:3 in der Schlussminute den Gastgebern per Elfmeter immerhin noch verdiente Ehrentreffer gelingt.