«Uns mag eigentlich niemand», meint Lari Paski und zuckt mit den Schultern. Mit «uns» meint der langjährige Fan und mittlerweile Medienchef des SJK Seinäjoki seinen Arbeitgeber. Dieser entsprang 2007 einer innerstädtischen Fusion, spielte 2014 in der höchsten Liga und wurde ein Jahr darauf bereits finnischer Meister. Nebst einer hochmodernen Arena und einer erfolgreichen Jugendakademie hat SJK vor allem eines, was vielen anderen Klubs in der «Veikkausliiga» fehlt: Geld.
Immerhin haucht der Klub der verschlafenen 65‘000-Einwohner-Gemeinde an jedem zweiten Wochenende etwas Leben ein, wenn auch davon am Samstagvormittag noch wenig zu spüren ist: Im schlecht besuchten Einkaufszentrum wird ein Frischkäse als grosses Top-Angebot angepriesen, aus den Lautsprechern hallt «Radio Suomipop» und ein Burgerladen bewirbt unter dem gewöhnungsbedürftigen Namen «Big Mama» eine Spezialkreation. Auch draussen wird man das Gefühl nicht los, die Herbsttristesse habe in Seinäjoki bereits im August Einzug gehalten. Ein Verkehrsschild steht windschief am Strassenrand, dem schweigende Seniorenpaare mit nichtssagender Miene scheinbar ziellos entlangschlurfen. Das Stadtzentrum wirkt eher zweckmässig, denn schön – von einer rostigen Statue in Form eines Elchs einmal abgesehen, der in Rom oder Paris aber wenn überhaupt nur einige Hunde Beachtung schenken würden.
Auch das Stadion wirkt wie in die letzten Waldausläufer hineingefräst. Vor dem Neubau stehen eine Bühne für musikalische Darbietungen und kleine Fussballfelder für die Familien bereit, während im Innern mit «Klopit» immerhin eine kleine Gruppe bemüht ist, etwas Stimmung im sterilen Neubau zu entfachen. Der Aussenseiter aus Mariehamn, der trotz blauem Logo in Grün-Weiss antritt, geht dank eines Sonntagsschusses kurz vor der Pause in Führung. Für den Gastgeber Seinäjoki, der vom Bruder von Lukas Hradecky angeführt wird, kommt es nach dem Seitenwechsel noch schlimmer: Ein Goaliefehler steht am Ursprung des 2. Treffers für die Gäste, die in der Folge aber zu wenig für das Spiel tun und innert weniger Minuten erst das Anschlusstor und dann auch den Ausgleich hinnehmen müssen. Als sich die 3402 Zuschauer bereits mit dem Remis abgefunden haben, gelingt dem SJK tief in der Nachspielzeit gar noch das 3:2, das den beiden einzigen Gästefans einige Tränen über die Backen kullern lässt – verständlich nach derart bitterem Spielverlauf und der Aussicht auf eine 10-stündige Heimreise inklusive einer Fahrt mit der Fähre zurück auf die Aland-Inseln.
Gelöster präsentiert sich die Stimmung im Medienraum. Hier ist der offizielle Teil der Pressekonferenz mittlerweile zu Ende, die Kamera abgeschaltet und die Gruppe auf ein Quintett aus Medienchef Lari, SJK-Trainer Joaquin Gomez, einen Fotografen, einen Journalisten und mich geschrumpft. Längst ist es eine Männerrunde, die nicht mehr nur über das Spiel und den (finnischen) Fussball sinniert. «Das machen wir nach jedem Heimspiel so», erwähnt Lari schmunzelnd. Dass sich in Seinäjoki trotz fehlender Tradition ein geselliges Vereinsleben entwickelt hat, unterstreicht auch Trainer Gomez’ Aussage beim Hinausgehen: «Danke euch, ihr seid echt preiswerte Therapeuten.»