Samstagnachmittag, Profifussball in Köln, die Akteure in Rot-Weiss wärmen sich auf dem Rasen auf. Doch nicht etwa Annenmaykantereit, sondern die Stimme von Guido Cantz dröhnt aus den Lautsprechern. Und das, obwohl Henning und May im Stadion sind – allerdings nicht in der Person von Henning May, dem Leadsänger der genannten Kölner Band, sondern in Form der beiden Spieler Bryan Henning und Niklas May von Viktoria Köln.
Der Drittligist von der Schäl Sick – also der rechten (und im Kölner Jargon «falschen») Rheinseite – ist aus sportlicher Sicht die zweite Kraft der Stadt, auch weil der Traditionsverein und Erzrivale Fortuna Köln seit einigen Jahren nur noch in der Regionalliga spielt. Ambitionierter sind die Pläne im Sportpark Höhenberg, der über eine sehenswerte Giebeldachkonstruktion verfügt und zu diesem Verfolgerduell gegen Aue 4093 Zuschauer beherbergt.
Der Erfolg im Osten Kölns geht zu grossen Teilen auf den im Frühling verstorbenen Mäzen Franz-Josef Wernze zurück, dessen finanzielles Engagement die 2010 gegründete Viktoria erst in den Profifussball gehievt hat. Auch Lokalmatador und Spassvogel Cantz hat seine Finger im Spiel, wenn auch nur als selbsternannter «Premiumpartner». Seit 2019 spielt der Klub in der dritten Liga, auch dank der Lizenzübernahme des FC Junkersdorf und dem damit erkauften Startrecht für die fünftklassige Oberliga zeigte der Weg für die Kölner in weniger als einer Dekade derart rasant nach oben. Von einer traditionellen Klubgeschichte ist man im Stadtteil Höhenberg trotz Berufung auf den Ursprungsverein von 1904 weit entfernt, entsprechend überschaubar präsentiert sich auch die Anhängerschaft.
Der Kern dieser schart sich auf der Stahlrohrtribüne im Block 11 hinter dem Tor. Obschon 2018 im Derby vom städtischen Lokalrivalen präsentiert, flaggt der Kern der Viktoria-Fanszene weiter mit einem nachgedruckten Exemplar der Zaunfahne «Juniors Höhenberg» an, die nach der Auflösung der «High Society Höhenberg» im Folgejahr die zentrale Fangruppierung darstellen. Grossartig Gehör verschafft sich die Fanszene an diesem Samstag nicht.
So haben die rund 300 Schachter auf den Stehplätzen entlang der Gegengerade und im separaten Sitzplatzbereich an der Grundlinie die Stimmungshoheit inne. Lange liebäugeln sie dank eines Doppelschlags trotz anfänglichem Rückstand mit drei Punkten, ehe den Gastgebern in der Nachspielzeit doch noch der umjubelte Ausgleich zum 2:2 gelingt.