Startbahn 06/24, Boeing 737, Reihe 8, Gangplatz links. «Erfahrung mindert die Neugierde», entnehme ich als abstrahierte Essenz der soeben gelesenen Seite aus einem Werk des Schweizer Schriftstellers Max Frisch. Meine Autorenwahl für diesen Flug kann passender kaum sein, denn das Ziel von Andri(n)s Reise ist tatsächlich Andorra.

Obschon Frisch in seinem bekannten Theaterstück unter «Andorra» ein Modell und nicht das Land versteht, passt seine anfängliche Schlussfolgerung – auch wenn sie aus einem anderen seiner Werke stammt – in den Kontext. Nicht zum ersten Mal nämlich hatte ich den Zwergstaat als Zielort auserkoren und so war meine Gefühlslage vor dem Besuch in den Pyrenäen nicht von Neugierde dominiert, sondern glich eher jener vor der ersten Stippvisite bei den Eltern einer neuen Freundin: von Anspannung geprägt und froh, wenn alles wieder vorbei ist.

Damals im Februar 2018 hatte ich das kleine Fürstentum vom südfranzösischen Toulouse aus angesteuert. Ein scheinbar durchdachtes Unterfangen, ehe am «Pas de la Casa» ­– wenige Kilometer vor der Grenze – dichtes Schneegestöber die fluchende Besatzung eines Mietautos ohne Schneeketten zur Umkehr zwang.

Gleiche Distanz, andere Himmelsrichtung

Fünf Jahre später sind es wiederum exakt 122 Kilometer Luftlinie, die mich nach der Landung im katalanischen Girona von der Hauptstadt Andorra la Vella trennen. Aus südlicher Richtung stoppt mich diesmal aber kein unerwarteter Wintereinbruch und auch das letzte potenzielle Hindernis in Form grimmiger Zöllner meistere ich, zwar mit pochendem Herzschlag, aber doch problemlos.

Die ersten Berührungspunkte mit andorranischem Fussball lassen dann kurzfristig dennoch länger auf sich warten als gedacht: Weil im Zweitligaduell zwischen der CE Carroi und dem FC Encamp ein Akteur mit seinen Kontaktlinsen kämpft, verzögert sich der Anpfiff um sechs Minuten. Im Anschluss steht der Partie und damit einem diskussionslosen 4:0-Sieg der nach dem Berg «Pic de Carroi» benannten Team aber nichts mehr im Weg. An diesem Vormittag beehren 35 Zuschauer die kleine Tribüne im modernen und schön am Hang gelegenen Sportzentrum in La Massana.