Trotz einer Viertelmillion Einwohner wirkt Craiova unscheinbar. Der Stadtkern ist herausgeputzt, aber überschaubar. Für Touristen zählt die siebtgrösste Stadt Rumäniens nicht zu den primären Zieldestinationen im Land und auch aus wirtschaftlicher Sicht erfährt das Zentrum der «Kleinen Walachei» weit weniger Aufmerksamkeit als die drei Autostunden östlich gelegenen Hauptstadt Bukarest.
Anders sieht es im Fussball aus. Dieser existiert in der Stadt seit 1948, als der Sportverein «CSU Craiova» gegründet wurde. In Anlehnung an die lokale Universität benannte er sich in den Folgejahren in «CS Universitatea Craiova» um und spaltete sich 1992 in Form der Fussballabteilung unter dem Namen «FC Universitatea Craiova» vom Polysportverein ab. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa ging der Klub vom staatlichen Träger – in diesem Fall die städtische Universität – in private Hände über. Diese Transformation ging in vielen ehemaligen kommunistischen Staaten ohne juristische Sorgfalt über die Bühne und die Privatbesitzer, meist zwielichtige Geschäftsmänner oder Oligarchen, verstanden wenig von Klubmanagement.
2005 gelangte der finanziell angeschlagene Zweitligist aus Craiova in die Hände des Medienmoguls Adrian Mititelu, der erheblich in dessen sportliche Wiederauferstehung investierte. 2010 engagierte er dafür unter anderem den früheren rumänischen Nationaltrainer Victor Piturca. Diesen entliess er nach einem halben Jahr, worauf Piturca auf eine hohe Abfindung pochte, die den Klub in die Insolvenz geführt hätte. Mititelu zahlte nicht und der rumänische Verband entzog seinem Klub daraufhin die Lizenz für die ersten beiden Ligen. Rechtsstreitigkeiten führten die Parteien bis vor den internationalen Sportgerichtshof, 2014 wurde der FC Universitatea Craiova schliesslich aus dem Vereinsregister gestrichen. Weil durch diesen Konflikt das neugebaute Stadion – eine mit EU-Fördergeldern bezahlte Propaganda-Baute – plötzlich ohne Nutzer dastand, riefen die lokalen Behörden rund um Craiovas Bürgermeisterin Lia Olguta Vasilescu 2013 den Klub «CS Universitatea Craiova» ins Leben, der vom rumänischen Fussballverband begünstigt ein Startrecht für die 2. Liga bekam. Die Mannschaft stieg nach der ersten Saison auf.
Als Reaktion darauf gründete der trotzige Mititelu 2017 den «FC U 1948 Craiova» und startete mit ihm in der 4. Liga. Nach erfolgreichen Jahren und drei Aufstiegen spielt der Klub seit 2021 wieder erstklassig. Zum speziellen Stadtderby kam es – die hier beschriebene Ausgabe inkludiert – bisher sieben Mal, Mititelus FC U gewann ein einziges davon. So wird das in Unterzahl erkämpfte 1:1 vor 14’885 Zuschauern von den älteren Semestern in der Peluza Sud in einer bisher enttäuschenden Saison denn auch als Erfolg gewertet, während die von jüngeren Fans geprägte Peluza Nord enttäuscht den Gesängen der Gegenseite lauscht.
Bis heute wird in Craiova nicht nur auf dem Rasen und den Rängen um Ruhm gekämpft, sondern auch im Gerichtssaal. Von den historischen Erfolgen des Ursprungsvereins wird dem «FC U 1948 Craiova» derzeit einzig der Pokalsieg 1993 attestiert, während die rumänische Liga und diverse Richter dem städtischen Klub die historischen vier Meisterschaftstitel und die fünf Pokalsiege aus dem 20. Jahrhundert zusprechen. Im Gegensatz zum Rivalen darf dieser auch den Namenszusatz «Universitatea» sowie das ursprüngliche Logo nutzen.
Dualismus ist im osteuropäischen Fussball kein Einzelfall. In Bukarest – mit dem FCSB und CSA Steaua Bucuresti – wie auch in Timisoara (mit SSU Politehnica Timisoara, FC Politehnica Timisoara und ACS Poli Timisoara) gibt es mehrere Teams, die sich als rechtmässige Erben ruhmreicher Grossklubs sehen. Auch im bulgarischen Fussball oder in ehemaligen Sowjetstaaten bestehen innerstädtische Feindschaften, die auf oben beschriebenen Umständen gründen.