«Da, rechts!», entfährt es mir. Michael, der meine energische Stimmlage als pflichtbewussten Beifahrer seit vielen Jahren kennt und einzuschätzen vermag, bremst unverzüglich. Das abrupte Stoppmanöver kommt gerade noch rechtzeitig, um unser Auto einigermassen elegant auf ein rares Nebensträsschen zu lenken, das der Passstrasse am Monte Santa Croce entspringt.

Im Gras auf dem Abhang hinter der Leitplanke sitzend, geniessen wir die Aussicht auf die Bucht von La Spezia in der Dämmerung einer lauen Sommernacht. Am hellsten leuchten die Flutlichter des «Stadio Alberto Picco», in dem Spezia Calcio vor leeren Rängen zur letzten Partie der regulären Serie-B-Saison gegen Cosenza antritt. Grund für das Geisterspiel ist keine Zuschauersanktion, sondern die Ungewissheit der Corona-Pandemie im Juli 2020, die unserer Reisegruppe zwar einen Spielbesuch verwehrt, aber auch einmalige Eindrücke fern von Touristenmassen in Portovenere sowie den fünf Küstendörfern der Cinque Terre beschert.

Mit einem 5:1-Heimsieg über die Kalabrier schoss sich Spezia Calcio damals für die Playoffs warm, in denen die Spezzini Wochen später den Aufstieg ins italienische Oberhaus fixierten. So kam es, dass ein erneutes Aufkreuzen in La Spezia verbunden mit einem Spielbesuch im (!) Stadion für mich die erstmalige Komplettierung der Serie A markieren würde. Umstände, welche die malerisch gelegene Spielstätte mit ihrer geschwungenen Heimkurve, dem eingangs erwähnten Monte Santa Croce im Hintergrund und der Haupttribüne mit Giebeldach gleich noch einmal an Attraktivität gewinnen liessen.

Mit 10’776 Zuschauern fasst sie so wenig Fans wie keine andere Baute der Serie A und trägt den Namen des ersten Torschützen des Klubs, der kurz darauf im 1. Weltkrieg fiel. Mit der «Curva Ferrovia», hinter der einst die Eisenbahn zu einem Arsenal führte, steht ein zweiter Begriff rund um die Heimat von Spezia Calcio in Verbindung zum Militär. So passt auch die Parade ins Bild, mit welcher die Heimfans den Teambus von der Espressobar Piccolo Faro (kleiner Leuchtturm) bis zum Stadion geleiten.

«Militärische Disziplin» liess im letzten Heimspiel der Saison einzig die Mannschaft vermissen, die sich Torino – mit dem Schweizer Captain Ricardo Rodriguez – gleich mit 0:4 beugen musste. Damit zittert der von Schweizer Kaufmännern gegründete Klub drei Jahre nach dem Aufstieg weiter um den Verbleib in der Serie A.