Die «Stari most» (Alte Brücke) als bildliche Allegorie für das geteilte Mostar zu verstehen, trägt weder der Vergangenheit noch der Gegenwart der Stadt vollständig Rechnung. Dennoch soll das namensgebende Wahrzeichen über dem Fluss Neretva in diesem Fall den Ausgangspunkt darstellen, um die prägende Geschichte der 110’000-Einwohner-Gemeinde und ihrer zwei Fussballklubs zu erzählen.

Ethnischer Schmelztiegel und Siedepunkt

Als Tor zu Europa verband das Bauwerk einst das osmanische Reich mit dem Westen und figurierte viele Jahrhunderte lang als Sinnbild für die Vereinigung unterschiedlicher Ethnien und Kulturen in Mostar. Im sozialistischen Jugoslawien stilisierten die Machthaber die Brücke zum Symbol für Einheit und Brüderlichkeit hoch, das die Verbindung zwischen Islam und Christentum darstellte.

Doch auch der Ort unweit der kroatischen Grenze wurde von den Handlungen rund um den Bosnienkrieg (1992-95) nicht verschont. Aus dem ursprünglichen, bosniakisch-kroatischen, Militärbündnis im Kampf gegen serbische Truppen gingen im Frühling 1993 gegenseitige Kriegshandlungen hervor, die mit der Zerstörung der Brücke durch bosnische Kroaten auch für eine visuelle Trennung der Stadt sorgten.

Nach dem Kriegsende und der Teilung stellten West- und Ost-Mostar bis 2004 gar zwei Städte mit separaten Verwaltungsstrukturen dar. Mit dem Wiederaufbau der Brücke legten die Verantwortlichen 2010 den symbolischen Grundstein für eine politische Annäherung, die eine Dekade später in einer Wahlordnung für ein gemeinsames Stadtparlament mündete. Die erhofften Veränderungen blieben seither aber aus und so sind in Mostar im neueren Westteil der Stadt bis heute praktisch nur römisch-katholische Kroaten beheimatet, während der Ostteil das Zuhause muslimischer Bosniaken darstellt.

Velez Mostar: (K)ein Klub für alle

Die innerstädtischen Zerwürfnisse machten auch vor dem Fussball keinen Halt. Dabei hatte sich Arbeiterklub Velez seit seiner Gründung in den 20er-Jahren als multiethnischen Verein verstanden, der Fussballer und Fans sämtlicher Bevölkerungsgruppen zusammenführt. Eine Vision, die spätestens der Zerfall der Sowjetunion und die Reaktivierung Zrinjskis jäh stoppten. Als Höhepunkt des Konflikts auf Fussballebene musste Velez nach dem Krieg sein Stadion an den Rivalen abtreten – die Umstände dazu habe ich im Beitrag zu Zrinjski beleuchtet.

Auch wenn sich hinter dem Stadion Rodeni im Vorort Vrapcici das namensgebende Velez-Massiv auftut, stellt die neue Heimat für den Klub und seine bosniakisch sowie antifaschistisch geprägte Fanszene rund um die «Red Army» keine Optimallösung dar. Rivale Zrinjski hingegen zieht primär patriotische Kroaten an, die ihrer Forderung nach einer Auflösung der Föderation und der Schaffung einer dritten Entität in Bosnien und Herzegowina auf den Rängen Ausdruck verleihen. Ein Bestreben mit Konfliktpotenzial, das aufgrund der Situation mit der serbisch geprägten Republik Srpska beinahe etwas in den Hintergrund gerät.

Trotz vielschichtiger Rivalität zwischen den Anhängerschaften, setzen diese im Stadtderby ein Zeichen der Solidarität. Weil die Zrinjski-Fans aufgrund einer Entscheidung seitens des Fussballverbands beim Risikospiel aus dem Stadion verbannt werden, boykottiert auch die Heimkurve die Partie und unterstützt ihre Mannschaft von draussen. Eine Geste mit Symbolcharakter, auch wenn den Velez-Spielern beim 1:3 vor 4’200 Zuschauern damit möglicherweise die notwendige Portion Zusatzenergie für einen Coup über den designierten Meister gefehlt hat.