Nicht immer braucht es im Fussball Meistertitel und glitzernde Pokale, um Grössenwahn auszulösen. In Linz zum Beispiel reicht bereits ein neues Stadion für Anzeichen von Realitätsverlust. Nur so nämlich lassen sich in der Arbeiter- und Industriestadt Preise von 80 Euro auf der Gegentribüne zum Saisonauftakt gegen Rapid Wien erklären.

Trotz der namhaften Begegnung unter Flutlicht bleibt so im Zentrum des Oberrangs ein Sektor gesperrt und auch die Haupttribüne, deren Sitzgelegenheiten gar nicht erst im öffentlichen Verkauf angeboten werden, ist nur sehr spärlich besetzt. An Galgenhumor grenzt angesichts dessen die Aussage des Linzer Bürgermeisters, der den wissenschaftlich erwiesenen «New Stadium Effect» ziemlich eigens interpretierte und vor Stadioneröffnung hohe Zuschauerzahlen aufgrund von Groundhoppern prophezeite.

Tatsächlich sind mit 16’790 Zuschauern drei respektive gar zehn Mal mehr Fans als bei meinen zwei vorherigen Besuchen bei LASK-Heimspielen anwesend, die Gründe hierfür sind aber anderweitig zu finden: Einmal spielten die Athletiker im Paschinger Exil, während beim ersten Besuch auf der Gugl noch Regionalliga gespielt wurde. Und der SK Rapid zieht als Gegner halt schlicht mehr als der Villacher SV.

Mit dem sportlichen Aufschwung der letzten Jahre – der LASK spielt seit der Saison 2018/19 stets international – ist in der Stahlstadt auch die Fankurve gewachsen und hat an Reife gewonnen, obschon mit den «Boys Lentia» (und beinahe auch den «Viking») eine der relevantesten Gruppen der Fanszene dem oberösterreichischen Rapid-Fanklub «Green Lions» zum Opfer gefallen ist. In der neuen Heimat prangt vor dem Heimblock eine Zaunfahne mit der Aufschrift «Landstrassler», die auf der gleichnamigen Einkaufsstrasse im Stadtzentrum gründet. In der zweiten Halbzeit wird dieses Transparent durch eines mit der Aufschrift «Dressen nur in den Farben, die uns die Gründerväter gaben» ersetzt, das mitunter gegen den unerwünschten Rosa-Ausweichdress der Mannschaft protestiert. Tatsächlich produzieren die Linzer seit Jahren verwerfliche Trikots, die in der aktuellen Ausgabe – abseits des gelben Farbtons einer Bank – nebst dem eigentlichen Klubwappen auch eine abstrahierte Form davon aufweisen.

Davon deutlich weniger irritiert zeigen sich die Akteure der Gäste, die in einem ausgeglichenen Spiel noch vor der Pause verdient in Führung gehen. Die Hauptstädter rennen seit einigen Jahren den eigenen Erwartungen hinterher, weshalb diese konstant nach unten korrigiert werden müssen. Nun soll ohne Druck (auch seitens der aktiven Fanszene) und mit einem moderaten Saisonziel die vermeintliche Talsohle endlich wieder verlassen werden.

Lange sieht es in Linz so aus, als ob die Wiener zum Saisonauftakt drei kaum budgetierte Punkte einfahren würde, ehe in der Nachspielzeit der Nachspielzeit doch noch der Ausgleich fällt. Während die Heimkurve das 1:1 ausgiebig feiert, trotten die Rapid-Spieler ernüchtert vor die Zäune des Gästeblocks, die derart hoch und beängstigend ausfallen, dass man meinen könnte, bei den «Green Lions» handle es sich tatsächlich um grüne Raubkatzen.