Die Heimspiele des Karlsruher SC ziehen derzeit beinahe so viele Menschen an wie in der letzten Bundesliga-Saison vor 15 Jahren. Den grossen Aufschwung verdankt der Zweitligist seinem umgebauten Stadion – dabei wähnte ich mich beim Besuch der neuen Heimat des KSC in einer bereits besuchten Spielstätte. Das jetzige Wildparkstadion rief in mir allerdings keine Erinnerungen an den Besuch an selbiger Stelle vor einem Jahrzehnt hervor, sondern von der Bauweise, der Blockaufteilung sowie dem blauen Farbton her an jenen in der Arena in Sinsheim.

Auch das von der Gegengerade in den Südosten gewanderte Stimmungszentrum vermochte sich trotz des Besuches von Freunden aus Strasbourg und einem äusserst günstigen Spielverlauf nicht vom viel zitierten «Einheitsbrei» deutscher Fankurven abzuheben. Dazu gesellten sich zu laute Pauken, Fangesänge zur Melodie von «Anton aus Tirol», eine von der Fankurve initiierte La-Ola-Welle sowie Sprechchöre gegen den Rivalen aus Stuttgart und für einen Auftritt im Europapokal, obwohl in beiden Fällen zumindest aus sportlicher Sicht jegliche Berührungspunkte fehlen. Da hatte ich den Zusammenschluss rund um die vier Ultrà-Gruppen Phönix Sons, Rheinfire, Armata Fidelis und die Wild Boys besser in Erinnerung.

Enttäuschend präsentierte sich auch die Anzahl der mitgereisten Magdeburger, als hätten sie geahnt, was sie beim Auftritt in Baden vor 27’028 Zuschauern erwarten würde. Immerhin unterstützten die anwesenden FCM-Anhänger ihre Mannschaft in typisch ostdeutscher Manier auch beim Stand von 7:0 aus Karlsruher Sicht unermüdlich. Den soliden Auftritt rundete ein Spruchband ab, auf dem sich die Gästefans mit drei Mitarbeitern des Fanprojekts Karlsruhe solidarisierten. Diesen hatte die Staatsanwaltschaft Strafvereitelung vorgeworfen und laut dem Karlsruher Amtsgericht Strafbefehle in einer Höhe von insgesamt über 20’000 Euro erlassen. Vorausgegangen war ein Vorfall mit Pyrotechnik im November 2022, bei dem mehrere Personen verletzt wurden. Um die Namen der Täter zu erfahren, wurden auch die Sozialarbeiter befragt – sie verweigerten stets die Aussage, trotz Androhung von Beugehaft.

Auf der Suche nach Gerechtigkeit für die bleibend geschädigte Person hat die Staatsanwaltschaft den Blick für das grosse Ganze aus den Augen verloren. Ihr Vorgehen stellt einen empfindlichen Eingriff in die etablierte Praxis eines diffizilen Berufsfeldes dar und bedroht die soziale Arbeit in diesem spezifischen Themenfeld fundamental. Im Gegensatz zu anderen Dimensionen der Sozialarbeit können sich Mitarbeiter eines Fanprojekts nämlich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen und führen ihre Arbeit auf Basis eines jahrelang erarbeiteten Vertrauensverhältnisses aus. Dass ein repressiver Ansatz, sollten vorherrschende Strukturen juristisch aufgebrochen werden, zum gewünschten Ziel führt, scheint – auch mit Blick auf Beispiele aus anderen Ländern – hingegen äusserst fragwürdig.