Blackpool FC - Sheffield United

Eine zügige Bise lässt die Gischt der Irischen See weit über die Ufer treten. Die wenigen Spaziergänger, die nicht in einem Pub oder in einer Spielhalle Zuflucht gefunden haben, gehen zügigen Schrittes und haben ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen.

Von einem «Pleasure Beach», wie es der gleichnamige Freizeitpark im Süden Blackpools verspricht, ist die Stadt zumindest Ende Dezember weit entfernt. Vielmehr stellt die Szenerie ein Abbild für den wirtschaftlichen Zerfall der 140’000-Einwohner-Gemeinde an der Westküste Englands dar, die innert wenigen Jahrzehnten von der einstigen Tourismushochburg zu einer den ärmsten Städten des Landes verkommen ist.

Ablenkung stiftet den Einheimischen nebst den erschreckend gut besuchten Spielsalons auch der lokale Blackpool FC, besonders seit Simon Sadler ihn 2019 aus den Fängen der Oyston-Familie befreit hat. Zuvor war der Klub über drei Dekaden erst von Familienoberhaupt Owen und nach dessen Schuldspruch in einem Vergewaltigungsfall von seiner Frau und schliesslich von ihrem Sohn mehr schlecht als recht geführt worden. In den Jahrzehnten bereicherte sich die Familie zudem mit rund 27 Millionen Pfund aus den Klubkassen.

Mut- und glücklose Hausherren

«It’s not bad, it just needs to be better», lautet das treffende Fazit eines Blackpool-Fans zur Halbzeitpause. Seine «Seasiders» zeigen gegen den Favoriten aus Sheffield, der sich anschickt in die Premier League zurückzukehren, das typische Spiel eines verunsicherten Teams im Tabellenkeller: kaum Kontrolle über das Mittelfeld, Fehler in den unpassendsten Momenten, stets einen Schritt zu spät und bemüht, aber doch glücklos. Auch in der Offensive agiert der abstiegsbedrohte Zweitligist vor 13’295 Zuschauern wenig zwingend und operiert stets mit (zu) langen Bällen.

Obschon für Blackpool das West-Lancashire-Derby gegen Preston North End noch mehr Zündstoff bietet, erreicht die Stimmung auch gegen die von 3500 Gästefans begleiteten Stahlstädter ein konstant gutes Niveau. Immer wieder liefern sich die Anhängerschaften auf der Nord- und der provisorischen Osttribüne – ein Überbleibsel aus der einzigen Premier-League-Saison 2010/11 – ein stimmliches Duell.

Derzeit müssen sich die «Tangerines» aber eher in Richtung Drittklassigkeit orientieren, glänzt bei Sheffield doch einmal mehr Iliman Ndiaye mit zwei Assists, was für Blackpool trotz des Anschlusstreffers eine 1:2-Niederlage zur Folge hat.


Glasgow Rangers - Motherwell FC

11. Februar 1963, kurz nach 22 Uhr, Abbey Road Studios. Im Londoner Stadtteil Westminster ordnet Musikproduzent George Martin eine letzte Tonaufnahme an. Weil den Beatles für das Album «Please Please Me» die Eigenkompositionen ausgegangen sind, füllen Coversongs die B-Seite der Platte. Einer davon ist das Rhythm-&-Blues-Lied «Twist and Shout» des US-amerikanischen Duos Top Notes. John Lennon klagt nach einem langen Tag bereits über Heiserkeit und eine Erkältung, gleich der erste Take muss also sitzen.

Bekanntheit im Fussball- und Fankosmos erlangt das Lied erst über ein halbes Jahrhundert später: am 28. Mai 2015, als Fans von Motherwell den 3:1-Sieg bei den Rangers feiern. Noch weit nach Schlusspfiff, als sich das Ibrox Stadium längst geleert hat, zelebrieren sie zur eingängigen Melodie ihren Coup im Relegations-Hinspiel über den vermeintlichen Favoriten.

Wiederum 7,5 Jahre später gastieren die Fans aus der strukturschwachen Kleinstadt im Ballungsraum Glasgows einmal mehr bei den Rangers. Diesmal kommt im Gästeblock aber zu keinem Zeitpunkt Feierstimmung auf – zu dominant treten die Hausherren beim 3:0-Heimsieg auf. Zumindest den Ehrentreffer hätte Motherwell bei strömendem Regen vor 49’605 Zuschauern aber verdient.

Auf der anderen Seite sorgt die Fangruppe Union Bears im kleinen Rahmen für gute Stimmung. Noch immer widerfährt der Subkultur der Ultras auf der Insel wenig Unterstützung und sie wirkt bisweilen tatsächlich deplatziert, zumindest die gespenstische Stille durchbrechen die Gesänge der protestantischen Unionisten aber eindrucksvoll. Kritik müssen sich diese etwa von der Anhängerschaft des Erzrivalen gefallen lassen: Für Celtic-Fans sind sie nichts weiter als Vertreter der «Newco», in Anlehnung an die neu gegründete Gesellschaft, unter welcher sich der Klub nach der Insolvenz 2012 aus der Viertklassigkeit zurückgekämpft und sein Comeback 2021 mit dem 55. Meistertitel gekrönt hatte.

Lennons Aufforderung für die Ewigkeit

Einen weiteren Welthit landeten die Beatles mit «Twist and Shout» übrigens nie. In Erinnerung bleiben wird er dennoch, allen voran wegen eines Konzerts im Herbst 1963. Als die Band im Prince-of-Wales-Theater in London auftritt, sitzt auch Königin Elizabeth im Publikum. Und John Lennon beweist bei der Anmoderation zum Abschluss eines legendären Abends, dass er nicht nur gut singen kann, sondern auch wortgewandt ist: «For our last number, I’d like to ask your help. For the people in the cheaper seats: clap your hands. And the rest of you – if you’ll just rattle your jewellery.»


Bolton Wanderers - Derby County

So romantisch sich der unterklassige englische Fussball am «Boxing Day» in Stockport präsentierte, so trist zeigt er sich 24 Stunden später in Bolton. Wobei Bolton gar nur den gastgebenden Klub in Form der Bolton Wanderers, nicht aber den Austragungsort, darstellt. Passend dazu geht auch der Namenszusatz der Wanderers auf die Tatsache zurück, dass sie ihr Hauptquartier in der Anfangszeit immer wieder gewechselt haben.

Als derzeitige Heimat figuriert das in der Gemeinde Horwich gelegene Industriegebiet Middlebrook, wo die Fans vor Anpfiff entweder im nahegelegenen Einkaufszentrum oder unter einem trostlosen Festzelt vor dem Dauerregen und den tiefen Temperaturen Zuflucht finden.

Wenig erwärmend ist auch das anschliessende Duell auf dem Rasen, obschon mit Derby County der wohl klangvollste Namen der dritten englischen Liga zu Gast ist. Immerhin die Kulisse von 25’428 Zuschauern ist den Umständen entsprechend mehr als würdig, allein aus Derbyshire sind über fünftausend Anhänger angereist.

Die 90 Minuten ohne wirkliche Torraumszenen und einem folgerichtigen 0:0 sind dann der passende Beleg, wieso nicht nur finanziell bedingte Punktabzüge die beiden Traditionsteams in den letzten Jahren bis in die League One gespült haben. Zumindest eine Ligaebene zu tief für die Ansprüche beider Klubs, blieben die «Trotters» doch noch vor 15 Jahren in internationalen Pflichtspielen gegen Bayern München oder Atletico Madrid ungeschlagen.

Nothing found.


Stockport County - Crewe Alexandra

Ein unerwartet früher Wintereinbruch sollte dem ersten «Cheshire Derby» seit elf Jahren zwischen Stockport County und Crewe Alexandra zusätzliche Brisanz verleihen. Satte 19 Tage mussten die Fans der «Hatters» auf einen Einsatz ihre Lieblinge warten, gar dreieinhalb Wochen ohne Ernstkampf waren zuletzt die heutigen Gäste geblieben.

Einer, der sich an das letzte Aufeinandertreffen bestens erinnern kann, ist Ex-Crewe-Akteur Lee Bell. Der heutige Trainer vom Klub aus der Eisenbahnstadt stand 2011 beim 2:0-Sieg am vorletzten Spieltag selbst auf dem Platz und wollte nun über eine Dekade später ein erneutes Erfolgserlebnis feiern. Möglich machte diese Neuauflage des Lokalduells der Aufstieg Stockports, während die «Railwaymen» zuletzt den Gang in die Viertklassigkeit antreten mussten.

So nahmen am «Boxing Day» auch rund tausend Gästefans den Weg in den Edgeley Park auf sich. Ihren Platz fanden sie passend im «Railway End», liegt das Stadion doch unweit der Schienen, welche die Züge innert wenigen Minuten nach Manchester führen. Innerhalb des Edgeley Parks, der seit 1902 als Heimat Countys figuriert, stellt es die einzige unüberdachte Tribüne dar. Ein besonderer Blickfang ist hingegen die Haupttribüne aus den 1930er-Jahren mit ihrer Backsteinfassade und der traditionellen Aufschrift des Klubnamens.

Ebenfalls aus jener Epoche stammt der Übername des Klubs, den Stockport County dem lokalen – und mittlerweile inexistenten – Hutmacherei-Zweig zu verdanken hat. Er teilt ihn sich auf der Insel mit dem Zweitligisten Luton Town, dessen Stadion an der Kenilworth Road lustigerweise auch einige Gemeinsamkeiten, allen voran die überdurchschnittlich grosse Hintertortribüne, zur hiesigen Spielstätte aufweist.

Auch in Stockport bestehen konkrete Pläne für einen Ausbau der restlichen Tribünen und auch der Gang durch die English Football League (EFL) sollte nach dem jüngsten sportlichen Erfolgserlebnis noch nicht zu Ende sein. Seine Ambitionen unterstrich der Viertligist zumindest an diesem Tag gleich doppelt: mit einem 2:0-Heimerfolg sowie der Kulisse von 9837 Zuschauern. Ein wenig enttäuscht war ich einzig ob der Tatsache, dass der Klub offenbar von einem Ausrüster-Vertrag mit der Marke Fred Perry absieht, obwohl der ehemalige Tennisspieler und Gründer der bekannten Casual-Kleidermarke aus Stockport stammt.

Nothing found.


Luxemburg - Bulgarien

Wenn es ein Land gibt, in dem ein Gespräch an der Tankstellenkasse vier Sprachen umfassen kann, dann wohl Luxemburg. Die skurrile Szene auf der Heimfahrt in die Schweiz beschreibt treffend den internationalen Schmelztiegel, welcher das finanzstarke Grossherzogtum darstellt.

Auch in den Strassen der erhöht gelegenen Altstadt Luxemburgs vernimmt der Besucher englischsprachige Expats, französische Touristen und Grenzgänger, die sich auf Deutsch unterhalten. Darunter mischt sich die luxemburgische Sprache vieler der 650‘000 Einwohner, die bei über 130‘000 Berufspendlern aber fast schon unterzugehen droht.

So sorgte auch der französische Name des neuen «Stade de Luxembourg» bei den Einheimischen für Polemik, als es im Herbst 2021 das Josy-Barthel-Stadion nach 90 Jahren als Nationalstadion ablöste. Aufatmen beim Luxemburgischen Fussballverband und dessen Verbündeten Michel Platini, der die in die Jahre gekommene Heimat der «Roten Löwen» im Zuge einer Kampagne zum Neubau einst als «eines der heruntergekommensten Stadien, das ich je gesehen habe» betitelte.

Die modernen Rahmenbedingungen trösteten nur bedingt über das Niveau der Partie hinweg, die sich passend zum kalten und regnerischen Novembertag präsentierte. Luxemburg, die Nummer 92 der Welt, schlug sich gegen den 72. der Weltrangliste wacker und verzeichnete gar zwei Pfostenschüsse, allerdings verliessen beim 0:0 beide Teams den Platz torlos. Am ehesten dürfte den 4‘718 Zuschauern die Schiedsrichterleistung in Erinnerung bleiben. Dieser pfiff kleinlich und sprach nicht weniger als elf gelbe Karten und gar einen Platzverweis aus – bei einem Freundschaftsspiel.


Real Sociedad - Betis Sevilla

Verlässt man Pamplona in nördliche Richtung, empfängt einen nach einer stündigen Autofahrt eine prächtige Küstenstadt im Golf von Biskaya, deren Hafen allerdings kaum mehr industrielle Nutzung widerfährt. Viel mehr lockt San Sebastian mit seinen Stränden Surfer und mit der gut erhaltenen Altstadt sowie dem Fischerviertel zahlreiche Touristen an.

Auch die lokale Küche Donostias, wie der Ort im Baskischen heisst, kennt als Hochburg der Pinchos ihre Verehrer. Im Vergleich zu den Tapas werden diese Spezialitäten mit einem namensgebenden Holzspiess serviert, der die einzelnen Komponenten auf dem Weissbrot besser zusammenhält.

Wer sich einen Überblick über die 190’000-Einwohner-Gemeinde nahe der französischen Grenze verschaffen will, sei ein Besuch des Hausbergs «Urgull» empfohlen, wovon sich auch die Muschelbucht (La Concha) und die Mündungs des Flusses Urumea gut erkennen lässt.

Im Süden der Stadt ist der einstige «Betontempel» Anoeta einem neuzeitlichen Stadion an gleicher Stelle gewichen, das Elemente der Heimstätten von Brighton, Porto und Manchester City vereint. Die Laufbahn ist verschwunden, stattdessen hat eine nervige Lichtshow und Livemusik vor dem Anpfiff Einzug gehalten.

Auch der Klub selbst hat zuletzt einen Wandel vollzogen. Die vergangenen drei Spielzeiten beendete «Erreala» in den Top 6, im April 2021 gewann Real Sociedad zudem die Copa del Rey 2019/20, die wegen Corona erst mit grosser Verspätung zu Ende gespielt wurde. In der laufenden Saison haben sich die Basken gar im Spitzenquartett festgesetzt und reden ein gewichtiges Wort um die Verteilung der internationalen Plätze mit. Nebst dem Hoch in der Meisterschaft steht das LaLiga-Gründungsmitglied weiter in der K.o.-Phase der Europa League, nachdem es in der Vorrunde unter anderem Manchester United im Old Trafford bezwang.

Die Erfolge sind insofern bemerkenswert, da Real Sociedad mit grosser Mehrheit auf Spieler baskischer Herkunft setzt. Der bekannteste im aktuellen Kader dürfte der spanische Nationalspieler Mikel Oyarzabal sein, der jedoch seit März mit einem Kreuzbandriss ausfällt. Vor allem in der Offensive setzt Trainer Imanol Alguacil mittlerweile auch auf ausländische Spieler – im Unterschied zum Erzrivalen Athletic Bilbao, der weiter ausnahmslos lokale Akteure auflaufen lässt.

Doch auch mit dem norwegischen Stürmer Alexander Sörloth fehlen dem Gastgeber vor dem Tor von Betis Sevilla die zündenden Ideen. Weil die Andalusier in der Schlussphase zwei erfolgreiche Nadelstiche setzen, resultiert für Real Sociedad trotz deutlich mehr Spielanteilen ein bitteres 0:2 im Verfolgerduell.

Eine Erwähnung verdient sich auch die überraschend lautstarke Fantribüne Sociedads. Diese ist nach Aitor Zabaleta benannt, einem Fan, der 1998 vor dem Auswärtsspiel in Madrid von einem rechtsradikalen Atletico-Anhänger ermordet wurde. Auch der Rest der 32’435 Zuschauer liess keine Gelegenheit aus, um die Entscheidungen des Schiedsrichters entrüstet zu kommentieren – Aitor wäre sicherlich stolz gewesen.


CA Osasuna - Real Valladolid

Unter «Osasuna» hatte ich mir stets eine kleine Stadt im Ebrobecken mit Blick auf zerklüftete Karstformationen der Pyrenäen vorgestellt. Das unbedeutende sportliche Dasein des lokalen Fussballklubs – oftmals ein treibender Faktor meiner geografischen Wissbegierde – wirkte sich diesbezüglich auf meine Fehleinschätzung aus. Dieser Irrtum offenbarte sich erst im Vorlauf der Reise, als ich mich intensiver mit dem Baskenland auseinanderzusetzen begann.

Weil das Heimspiel Osasunas besser als jenes von Athletic Bilbao in den Zeitplan passte, bekamen der Klub und damit auch seine Herkunft schliesslich die Aufmerksamkeit, die ihnen gebührt. So lernte ich, dass Osasuna keinen Stadtnamen darstellt, sondern im Baskischen für «Gesundheit» oder auch «Kraft» steht. Zuhause ist der Verein – einer von nur vier mitgliedergeführten Profiklubs Spaniens – in Pamplona, der Hauptstadt der Provinz Navarra.

Wie das Baskenland gehört auch Navarra zu den wohlhabenderen Gegenden auf der iberischen Halbinsel. Das zeigt sich etwa im erhöht gelegenen Zentrum Pamplonas. Nebst der Altstadt und ihrer Kathedrale lohnt es sich in der 200’000-Einwohner-Gemeinde der Zitadelle aus der Zeit der spanischen Renaissance einen Besuch abzustatten. Am meisten Touristen lockt allerdings die «Sanfermines» nach Iruña, wie die Stadt in der baskischen Sprache genannt wird. Die alljährlichen Festlichkeiten zu Ehren von Firmin von Amiens umfassen nebst dem Tragen der weissen Kleidung und den roten Halstüchern auch die bekannten Stierläufe (Encierros). Diese führen jeweils in den Morgenstunden durch die Altstadt und finden gegen Abend hin mit dem Tod der Tiere in der «Plaza de Toros» ihren traurigen Höhepunkt.

Das grösste Stadion Pamplonas verkörpert aber nicht die 100-jährige Stierkampfarena, sondern mit dem «El Sadar» die Heimat des städtischen Fussballklubs. Benannt ist die Spielstätte nach dem kleinen Fluss, der hinter der Gegentribüne vorbeiführt. Seit dem vor eineinhalb Jahren abgeschlossenen Umbau bietet die steile und kompakte Baute im Süden der Stadt Platz für 25’000 Personen.

An diesem Samstag sind es 19’429 Zuschauer, welche die Sitzschalen zu grossen Teilen besetzen und mit ihrer Anwesenheit die starke Hinrunde Osasunas würdigen. Die «Rojillos» stehen im vorderen Mittelfeld der Tabelle und sind auch gegen Aufsteiger Valladolid zu favorisieren. 20 Schüsse, davon die Hälfte auf das gegnerische Gehäuse, sprechen denn auch eine eindeutige Sprache zugunsten der Hausherren, während die Gäste lediglich zwei Torabschlüsse verzeichnen. Doch nur in zwei Fällen sind die Angriffe Osasunas von Erfolg gekrönt und besiegeln den hochverdienten 2:0-Heimsieg.


Deportivo Alaves - Real Oviedo

Das Duell zwischen Deportivo Alaves und Real Oviedo avancierte bereits vor Anpfiff zur Zitterpartie. Grund dafür war die wieder entfachte Diskussion zu Artikel 89 im spanischen Sportgesetz. Als sich im vergangenen Frühling mit Real und Atletico Madrid sowie dem FC Barcelona nämlich auch drei LaLiga-Vertreter für eine europäische Super League aussprachen, rief dies die Legislative auf den Plan.

Diese wollte den spanischen Fussball durch eine Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen künftig besser schützen, welche der Liga und dem Verband die Befugnis einräumt, abtrünnigen Klubs die Lizenz zu entziehen.

Im Oktober 2022 nahm die Regierung die damals ausgesprochene Zusage aber plötzlich wieder zurück. Dies rief das Gros der 42 Klubs aus den ersten beiden Profiligen auf den Plan, die im Falle einer Kehrtwende der Exekutive in den Streik treten wollten. Die Drohung zeigte Wirkung: In letzter Minute fanden die involvierten Parteien in einer ausserordentlichen Generalversammlung doch noch einen Konsens.

Doppelt durchatmen meinerseits, hatte zuvor doch bereits die Fluggesellschaft für die Reise ins Baskenland rund um die Diskussion zum neuen Gesamtarbeitsvertrag mit Arbeitsniederlegung gedroht.

So stand dem Zweitliga-Duell am Samstagabend in Vitoria-Gasteiz nichts mehr im Weg. Dabei würde die lebendige Altstadt und allen voran ihre «Calle Cuchilleria» genug Unterhaltung bieten, um auch ohne Fussball einen kurzweiligen Samstagabend zu verleben. Im erhöht gelegenen Stadtkern Vitorias, wie die Stadt im Spanischen heisst, während Gasteiz den baskischen Namen darstellt, lässt sich nebst lokalen Brauerzeugnissen auch vorzüglich die lokale Küche geniessen.

Dass Vitoria-Gasteiz das Zentrum der «Autonomen Gemeinschaft Baskenland» darstellt, gründet auf einem klugen Schachzug des baskischen Parlaments im Jahr 1980: Weil damals die innerstädtische Loyalität zwischen jener zu Spanien und dem Baskenland schwankte, riefen die Verantwortlichen die 250’000-Einwohner-Gemeinde als Hauptstadt aus – der Plan ging auf und die Stadt ist seither baskisch geprägt. Nicht zu verwechseln ist diese Gemeinschaft mit dem «Baskenland» im kulturellen Sinn, das sich unter anderem auch über die Region Navarra und bis in den Südwesten Frankreichs erstreckt.

Im Süden der Stadt liegt das Estadio Mendizorrotza (baskisch für Bergspitze). Mit der Nähe zum Spielfeld und den fehlenden Netzen hinter den Toren, den Stützpfeilern sowie den trapezförmigen Dachrändern erinnert es mich an die einstige White Hart Lane in London. Seine Glanzzeit erlebte «El Glorioso», wie die Fans ihren Klub nennen, kurz nach der Jahrtausendwende. Im UEFA-Pokal-Final 2001 stoppte ihn der FC Liverpool erst mit einem Golden Goal in der Verlängerung.

Von europäischen Endspielen ist Deportivo, das seinen richtigen Namen übrigens der Provinz Alava zu verdanken hat, in der Gegenwart weit entfernt. Aus einer schwachen Vorsaison resultierte der Abstieg in die zweite Liga und auch der Ausbau des Stadions wurde daraufhin auf unbestimmte Zeit vertagt.

Gegen Mittelfeldklub Real Oviedo ging der Tabellenführer der Segunda Division vor 14’209 Zuschauern als Favorit in die Partie. Die Gäste aus dem dreieinhalb Stunden entfernten Oviedo wurden von vielen Fans begleitet, diese blieben aber – im Vergleich zu ihrer Präsenz im Stadtzentrum in den Stunden zuvor – erstaunlich blass.

Einzig beim Ausgleich der Gäste erhoben sie sich aus ihren Sitzen und machten sich bemerkbar. Der Treffer fiel kurz vor Anbruch der Schlussphase und läutete für Alaves damit den doppelten Charaktertest ein. Diesen bestanden die Hausherren sowohl auf den Rängen als auch dem Rasen bravourös: Angetrieben von einer nimmermüden Fankurve gelang ihnen schliesslich doch noch der viel umjubelte Siegtreffer zum 2:1 – per Penalty in der 99. Minute.


SC Freiburg - FC Nantes

In Freiburg hat sich seit meinem letzten Besuch vor neun Jahren viel getan. Admir Mehmedi, damals gegen Hannover noch Doppeltorschütze, spielt mittlerweile im türkischen Ferienparadies Antalya und auch der SCF zählt längst nicht mehr zu den Abstiegskandidaten der Bundesliga. Vor allem aber: Das Dreisamstadion im Osten der Stadt ist Geschichte.

Seit rund einem Jahr tragen die Breisgauer – passend zum sportlichen Aufschwung – ihre Heimspiele neben dem lokalen Flugplatz aus und füllen die Ränge einer modernen Arena. Trotz des verpassten Pokaltriumphs hat sich der Klub in der abgelaufenen Spielzeit über die heimische Liga für die Gruppenphase der Europa League qualifiziert. Dort trifft er am 3. Spieltag mit dem FC Nantes ausgerechnet auf einen Pokalsieger – jener aus Frankreich.

Die Partie verläuft einseitig zugunsten des Gastgebers und widerspiegelt in meinen Augen damit auch das Leistungsgefälle zwischen der Bundesliga und der französischen Ligue 1. Vor 33’200 Zuschauern feiern die Deutschen so einen verdienten 2:0-Heimsieg. Auf den Rängen hingegen imponieren die zahlreich angereisten Nantes-Fans mit melodiösen Gesängen und mehreren visuellen Aktionen.

Nur eines ist seit meiner Aufwartung 2013 in Freiburg gleich geblieben: Kult-Trainer Christian Streich steht noch immer an der Seitenlinie und treibt sein Team mit viel Engagement entschlossen nach vorne.


Persis Solo - Bali United

Rückblende: Im Sommer 2019 spielte Persis Solo in der zweithöchsten Liga Indonesiens. Ihr eigentliches Stadion in Surakarta, wie die Stadt im Zentrum Javas auch genannt wird, befand sich immer noch im Umbau. So war das «Derby Mataram» gegen Erzrivale PSIM Jogjakarta im östlich gelegenen Madiun angesetzt. Trotz der Warnung der Polizei, das Risikospiel ohne Zuschauer auszutragen, hatten die Persis-Fans bereits vorab ihre Anreise zugesichert. Überwältigt von den Massen vor dem Stadion kippte die Polizei schliesslich wenige Augenblicke vor Anpfiff ihre eigene Entscheidung und liess die abertausenden Zuschauer ins Stadion strömen. Vor vollen Rängen erlebten mein damaliger Begleiter Michael und ich einen unglaublich emotionalen Heimsieg.

Drei Jahre später darf sich Persis Solo Erstligist nennen und besitzt mit dem Stadion Manahan auch endlich wieder eine eigene Heimat. An diesem Abend empfängt der Klub, der auf seine ruhmreichen Zeiten schon länger zurückblickt, als Aufsteiger den amtierenden Meister Bali United. Entsprechend durften die 13‘050 Zuschauer im Duell gegen den Favoriten auch keinen Sieg erwarten. Wie bereits in Tangerang reicht ein Blick durchs Rund, um zu erahnen, dass bei der Zahl der Anwesenden deutlich untertrieben wurde. Es ist der indonesische Weg, um die nach wie vor bestehende, coronabedingte Kapazitätsbegrenzung von 75 Prozent zu umgehen.

Eine zweite nationale Eigenheit offenbart sich den Anwesenden bereits wenige Momente nach dem Anpfiff. Wie in grossen Spielen üblich bekommt das Heimteam einen umstrittenen Penalty zugesprochen, nimmt das Geschenk dieses Mal aber nicht an. Trotz der verpassten Führung zeigt sich der vermeintliche Aussenseiter agil und zieht ein für indonesische Verhältnisse ansprechendes Spiel auf. Ein Tor nach einer halben und eines nach einer ganzen Stunde lenken das Spiel schliesslich doch noch in die gewünschte Richtung. Der 2:0-Sieg für Persis, das zuletzt öfter sieglos blieb, kommt überraschend und ist dennoch verdient.

Die drei Punkte spornen auch den rot-weissen Anhang rund um die Fangruppen Pasoepati, B6 (Casuals), Surakartans (Hooligans) sowie die Curva Sud (Ultras) gehörig an. Ihr ganzes Potenzial schöpfen diese unabhängig agierenden Gruppen allerdings erst nach dem Anpfiff aus, als sie – erstmals an diesem Abend gemeinsam – inbrünstig die Klubhymne singen.